Anna Karenina
einer gewissen Zurückhaltung, aber dann immer mehr und mehr von seinem Gegenstand
hingerissen, sie auf allerlei Einzelheiten in der Ausschmückung des Hauses und des Gartens aufmerksam zu machen. Es
war deutlich, daß Wronski, nachdem er soviel Mühe auf die Verbesserung und Verschönerung seines Landsitzes
verwendet hatte, nun auch das Bedürfnis empfand, sich einer neuen Persönlichkeit gegenüber des Erreichten zu
rühmen; er freute sich von Herzen über Darja Alexandrownas Lobsprüche.
»Wenn Sie Lust haben, sich das Krankenhaus anzusehen, und nicht zu müde sind – es ist nicht weit. Wollen wir
hingehen?« fragte er und blickte ihr ins Gesicht, wie um sich zu überzeugen, daß es ihr auch wirklich nicht zuwider
sei.
»Kommst du auch mit, Anna?« wandte er sich an diese.
»Wir wollen auch mitgehen, nicht wahr?« sagte sie zu Swijaschski. »Mais il ne faut pas laisser le pauvre
Weslowski et Tuschkewitsch se morfondre là dans le bateau. 4 Wir müssen hinschicken und es ihnen sagen lassen. – Ja, das ist ein Denkmal, das er
sich hier selbst errichtet«, sagte Anna, zu Dolly gewendet, mit eben jenem listigen, verständnisfrohen Lächeln, mit
dem sie schon vorher von dem Krankenhause gesprochen hatte.
»Ja, es ist etwas Großartiges!« sagte Swijaschski. Aber um den Schein zu vermeiden, als wolle er sich bei
Wronski einschmeicheln, fügte er sogleich eine Bemerkung hinzu, die einen leisen Tadel enthielt. »Ich wundere mich
nur, Graf«, sagte er, »daß Sie, während Sie in gesundheitlicher Hinsicht so viel für das Volk tun, für die Schulen
so wenig übrig haben.«
»C'est devenu tellement commun, les écoles« 5 ,
erwiderte Wronski. »Sie verstehen: natürlich baue ich das Krankenhaus nicht von diesem Gesichtspunkte aus, sondern
einfach, weil ich mich einmal dafür begeistert habe. Also nach dem Krankenhaus müssen wir hier gehen«, wandte er
sich an Darja Alexandrowna und wies auf einen von der Allee abzweigenden Seitenweg.
Die Damen öffneten die Sonnenschirme und bogen in den Seitenweg ein. Nachdem sie einigen Windungen des Weges
gefolgt und aus einem Pförtchen hinausgetreten waren, erblickte Darja Alexandrowna vor sich auf einer kleinen
Anhöhe ein großes rotes, schon fast vollendetes Gebäude von eigentümlicher Form. Das noch nicht angestrichene
Blechdach glänzte blendend im hellen Sonnenlichte. Neben dem fast fertigen Gebäude wurde noch ein anderes, gebaut,
das noch von Gerüsten umgeben war, und Maurergesellen in Schürzen standen auf den Gerüstbrettern und legten die
Ziegelsteine, übergössen das Mauerwerk aus ihren Schöpfeimern mit Kalklösung und brachten es mit dem Richtscheit
ins Lot.
»Wie schnell die Arbeit bei Ihnen fortschreitet!« sagte Swijaschski. »Als ich das letztemal hier war, war noch
kein Dach darauf.«
»Zum Herbst wird alles fertig sein. Innen ist schon fast alles eingerichtet«, sagte Anna.
»Was wird denn das für ein neues Gebäude?«
»Da kommt die Apotheke und die Wohnung für den Arzt hinein«, antwortete Wronski. Da er sah, daß der Baumeister,
in kurzem Überzieher, auf ihn zukam, entschuldigte er sich bei den Damen und ging ihm entgegen.
Er umging die Kalkgrube, aus der die Arbeiter Kalk entnahmen, blieb mit dem Baumeister stehen und sprach eifrig
mit ihm.
»Der Giebel sitzt immer noch zu niedrig«, antwortete er auf Annas Frage, worum es sich handle.
»Ich habe gleich gesagt, die Grundmauer müßte höher angelegt werden«, sagte Anna.
»Ja, natürlich, das wäre das beste gewesen, Anna Arkadjewna«, versetzte der Baumeister. »Aber das ist nun einmal
unterlassen.«
»Ja, ich beschäftige mich sehr mit diesem Bau«, sagte Anna zu Swijaschski, der sein Erstaunen über ihre
Kenntnisse vom Bauwesen ausdrückte. »Das neue Gebäude sollte ja eigentlich in der ganzen Bauart dem Krankenhause
entsprechen. Aber der Entschluß, es zu bauen, wurde erst nachträglich gefaßt, und der Bau ist dann ohne rechten
Plan begonnen worden.«
Als Wronski sein Gespräch mit dem Baumeister beendet hatte, gesellte er sich wieder zu den Damen und führte sie
in das Krankenhaus hinein.
Obwohl außen noch an den Gesimsen gearbeitet wurde und im unteren Stockwerk noch die Maler tätig waren, war im
oberen Stockwerk beinahe schon alles in Ordnung gebracht. Sie stiegen eine breite, gußeiserne Treppe hinan,
betraten einen Vorplatz und gelangten von dort in das erste große Zimmer. Die Wände waren mit marmorähnlichem Stuck
bekleidet, die Fenster,
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