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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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die aus je einer Scheibe von gewaltiger Größe bestanden, schon eingesetzt, nur der
    Parkettfußboden war noch nicht fertig, und die Tischler, die ein etwas zu hohes Quadrat behobelten, unterbrachen
    ihre Arbeit, um die Bänder, mit denen sie sich die Haare aufgebunden hatten, abzunehmen und die Herrschaften zu
    begrüßen.
    »Dies ist das Empfangszimmer«, bemerkte Wronski erklärend. »Hier kommt ein Pult, ein Tisch und ein Schrank
    hinein, weiter nichts.«
    »Bitte hierher; wir wollen hier weitergehen. Geh nicht zu nah ans Fenster, Dolly«, sagte Anna und versuchte, ob
    die Farbe schon trocken sei. »Alexei, die Farbe ist schon trocken«, fügte sie hinzu.
    Aus dem Empfangszimmer begaben sie sich auf den Flur. Hier zeigte ihnen Wronski die Entlüftungseinrichtung
    neuester Art, die er hatte anbringen lassen. Dann zeigte er die Marmorwannen und die mit eigenartigen Sprungfedern
    versehenen Betten. Darauf zeigte er einen Krankensaal nach dem andern, die Vorratskammer, die Wäschestube, dann die
    Öfen neuester Bauart, dann Schiebewagen, auf denen sich alles Erforderliche auf dem Flur geräuschlos befördern
    ließ, und vieles andere. Swijaschski, als Sachkundiger auf allen Gebieten neuerer Vervollkommnungen, sprach über
    alles sein Urteil aus. Dolly war geradezu starr vor Staunen über alle diese ihr bisher völlig unbekannten Dinge und
    erkundigte sich, in dem Wunsche, alles zu verstehen, eingehend nach allem bei Wronski, dem ihre Anteilnahme
    sichtlich Freude bereitete.
    »Ja, ich glaube, das wird in Rußland das einzige völlig tadellos eingerichtete Krankenhaus sein«, äußerte
    Swijaschski.
    »Wird bei Ihnen nicht eine Abteilung für Wöchnerinnen vorhanden sein?« fragte Dolly. »Das ist auf dem Lande ein
    so dringendes Bedürfnis. Ich habe oft ...«
    Trotz seiner Höflichkeit unterbrach Wronski sie.
    »Es ist keine Entbindungsanstalt, sondern ein Krankenhaus und für alle Krankheiten mit Ausnahme der ansteckenden
    bestimmt«, sagte er. »Aber sehen Sie sich, bitte, einmal dies hier an!« Er rollte einen Fahrstuhl für Genesende,
    den er erst kürzlich hatte kommen lassen, zu Darja Alexandrowna heran. »Sehen Sie nur!« Er setzte sich in den Stuhl
    und begann ihn zu bewegen. »Nehmen wir den Fall: ein Kranker kann nicht gehen, er ist noch zu schwach oder
    fußkrank, braucht aber frische Luft; dann fährt er sich eben und macht auf diese Weise eine Spazierfahrt ...«
    Darja Alexandrowna interessierte sich für alles, und alles gefiel ihr außerordentlich; am allermeisten aber
    gefiel ihr Wronski selbst mit seiner unverstellten, knabenhaften Begeisterung. ›Ja, er ist ein liebenswürdiger,
    guter Mensch‹, dachte sie mehrmals, während sie nicht auf das hörte, was er sagte, sondern ihn ansah und seinen
    Gesichtsausdruck prüfte und sich in Gedanken an Annas Stelle versetzte. Er gefiel ihr jetzt in seiner Lebhaftigkeit
    so sehr, daß es ihr verständlich wurde, wie Anna sich in ihn hatte verlieben können.
Fußnoten
    1 (frz.) das ist ein so reizendes
    Familienleben, so wie es sich gehört. Ganz und gar wie bei den Engländern. Man versammelt sich morgens zum
    Frühstück und geht dann auseinander.
    2 (frz.) Das wird vortrefflich werden.
    3 (frz.) Eine Partie Rasentennis.
    4 (frz.) Aber wir dürfen den armen
    Weslowski und Tuschkewitsch dort in dem Kahn nicht so lange warten lassen.
    5 (frz.) Schulen sind dermaßen üblich
    geworden.

21
    »Nein, ich glaube, die Fürstin wird müde sein, und die Pferde interessieren sie auch wohl nicht«, sagte Wronski
    zu Anna, die den Vorschlag gemacht hatte, nach dem Gestüt zu gehen, wo Swijaschski gern einen neuen Hengst sehen
    wollte. »Geht ihr beide nur hin; ich begleite die Fürstin nach Hause, und wir plaudern ein bißchen miteinander –
    wenn es Ihnen angenehm ist?« fügte er, zu Darja Alexandrowna gewendet, hinzu.
    »Von Pferden verstehe ich allerdings nichts, und es wird mir eine große Freude sein«, erwiderte sie einigermaßen
    verwundert.
    Sie merkte an Wronskis Gesicht, daß er etwas von ihr wollte. Sie hatte sich nicht geirrt. Sobald sie durch das
    Pförtchen wieder in den Garten getreten waren, blickte er nach der Richtung, wohin Anna gegangen war, und nachdem
    er sich überzeugt hatte, daß sie ihn und seine Begleiterin nicht mehr hören und sehen konnte, begann er:
    »Sie haben gewiß erraten, daß mir daran lag, mit Ihnen zu reden.« Er sah sie mit lachenden Augen an. »Ich bin
    überzeugt, daß Sie wirklich Annas Freundin sind.« Er nahm den Hut ab,

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