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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Luxus, und obgleich
    sie nicht hoffen konnte, jemals etwas von all dem hier Gesehenen bei sich zu Hause zur Anwendung zu bringen (so
    hoch stand dies alles in seiner Kostspieligkeit über dem Zuschnitte ihres eigenen Lebens), so suchte sie doch
    unwillkürlich als Hausfrau, die eine Wirtschaft leitete, alle Einzelheiten zu ergründen und legte sich die Frage
    vor, wer wohl all das in Ordnung halte und wie er das anstelle. Wasenka Weslowski und ihr Mann und sogar
    Swijaschski und viele Leute, die sie kannte, dachten darüber niemals nach und glaubten ohne weiteres, was jeder
    ordentliche Hausherr seine Gäste glauben machen möchte: daß alles, was bei ihm so schön eingerichtet sei, ihn, den
    Hausherrn, keinerlei Mühe gekostet, sondern sich ganz von selbst gemacht habe. Darja Alexandrowna dagegen wußte,
    daß von selbst nicht einmal der Frühstücksbrei der Kinder zustande kommt und daß man daher bei einem so
    vielseitigen, prächtigen Haushalt eine hochgesteigerte Umsichtigkeit von irgend jemand voraussetzen müsse. Und an
    dem Blicke, mit dem Wronski den Tisch überschaute, und an dem Zeichen, das er dem Haushofmeister durch ein
    Kopfnicken gab, und daran, wie er ihr, Darja Alexandrowna, die Wahl zwischen kalter Kräutersuppe und Fleischbrühe
    ließ, erkannte sie, daß hier alles durch die eigene Bemühung des Hausherrn angeordnet und in Gang erhalten werde.
    Von Anna hing das alles nicht in höherem Grade ab als von Weslowski. Sie und Swijaschski und die Prinzessin und
    Weslowski waren in gleicher Weise Gäste, die fröhlich genossen, was ihnen dargeboten wurde.
    Die Stellung der Hausfrau nahm Anna nur insofern ein, als sie das Gespräch leitete. Und dieser Aufgabe, die für
    die Hausfrau ihre Schwierigkeit hatte bei der geringen Größe der Tafelrunde, bei Tischgenossen, wie es der
    Verwalter, der Arzt und der Baumeister waren, Leuten aus einer ganz anderen gesellschaftlichen Schicht, die sich
    alle Mühe gaben, inmitten dieses ungewohnten Luxus nicht verlegen zu scheinen, und nicht imstande waren, sich an
    dem allgemeinen Gespräch längere Zeit zu beteiligen – dieser schweren Aufgabe, die Unterhaltung zu leiten,
    entledigte sich Anna mit dem ihr eigenen Taktgefühl, in durchaus ungezwungener Weise und, wie Darja Alexandrowna zu
    bemerken glaubte, sogar mit einem gewissen Vergnügen.
    Das Gespräch handelte zunächst davon, wie Tuschkewitsch und Weslowski miteinander allein Kahn gefahren waren,
    und dann erzählte Tuschkewitsch von der letzten Regatta des Jachtklubs in Petersburg.
    Aber Anna, die eine kleine Pause abgewartet hatte, wandte sich an den Baumeister, um ihn aus seiner
    Schweigsamkeit herauszureißen.
    »Nikolai Iwanowitsch war überrascht«, sagte sie mit Bezug auf Swijaschski, »wie das neue Gebäude gewachsen ist,
    seit er zum letzten Male hier war; aber ich selbst komme jeden Tag hin und wundere mich jeden Tag, wie schnell es
    geht.«
    »Mit Seiner Erlaucht läßt sich gut arbeiten«, antwortete der Baumeister lächelnd; er war ein sehr höflicher,
    ruhiger Mann, von dem Bewußtsein seines eigenen Wertes erfüllt. »Das ist eine andere Sache, wie wenn man mit den
    Behörden zu tun hat. Wo man im Verkehr mit denen ein Ries Papier vollschreibt, da berichte ich dem Grafen einfach
    mündlich, wir besprechen die Sache, und in wenigen Worten ist sie erledigt.«
    »Amerikanisches Verfahren«, bemerkte Swijaschski lächelnd.
    »Jawohl, dort baut man wirtschaftlich ...«
    Das Gespräch ging nun zum Mißbrauch der Amtsgewalt in den Vereinigten Staaten über; aber Anna brachte es
    schleunigst auf ein anderes Gebiet, um auch den Verwalter zum Mitreden zu veranlassen.
    »Hast du schon einmal Mähmaschinen gesehen?« wandte sie sich an Darja Alexandrowna. »Wir waren gerade
    hingeritten, um sie zu besehen, als wir dich trafen. Ich selbst habe sie zum ersten Male gesehen.«
    »Wie arbeiten die denn?« fragte Dolly.
    »Ganz wie eine Schere. Es ist ein Brett und viele kleine Scheren. Sieh mal, so!«
    Anna ergriff mit ihren schönen, weißen, mit Ringen geschmückten Händen ein Messer und eine Gabel und versuchte
    es zu erklären. Sie war offenbar selbst der Meinung, daß aus ihrer Erläuterung sich niemand einen Begriff von der
    Sache machen konnte; aber da sie wußte, daß sie hübsch sprach und schöne Hände hatte, so fuhr sie in ihrer
    Auseinandersetzung fort.
    »Die Schneiden haben eigentlich mehr Ähnlichkeit mit Federmessern«, meinte scherzend Weslowski, der kein Auge
    von ihr ließ.
    Anna lächelte

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