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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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ganz leise, gab ihm aber keine Antwort. »Nicht wahr, Karl Fedorowitsch, sie haben doch Ähnlichkeit
    mit Scheren?« wandte sie sich an den Verwalter.
    »O ja«, antwortete dieser, ein Deutscher, in seiner Muttersprache. »Es ist eine ganz einfache Sache ...« Und er
    begann den Bau der Maschine zu erläutern.
    »Schade, daß sie nicht gleich auch bindet. Ich habe auf der Wiener Ausstellung eine gesehen, die mit Drahtband«,
    sagte Swijaschski. »Solche wären noch vorteilhafter.«
    »Es kommt drauf an ... Man müßte den Preis des Drahtes ausrechnen«, sagte der Deutsche. Aus seiner
    Schweigsamkeit aufgerüttelt, wandte er sich an Wronski: »Das läßt sich ausrechnen, Erlaucht.« Der Deutsche wollte
    schon in die Tasche greifen, wo er einen Bleistift in dem Notizbuch stecken hatte, in dem er sich alles
    auszurechnen pflegte; aber da er sich besann, daß er bei Tische saß, und Wronskis kalten Blick bemerkte, unterließ
    er es. »Es ist zu umständlich, macht zuviel Klopot«, schloß er, die beiden Sprachen vermengend.
    »Wünscht man Dochots 1 , so hat man auch Klopots 2 «, bemerkte, gleichfalls halb deutsch, halb russisch,
    Wasenka Weslowski, um den Deutschen zu foppen. »J'adore l'allemand« 3 , wandte er sich wieder mit demselben Lächeln zu Anna.
    »Cessez« 4 , sagte sie zu ihm in einem aus Scherz
    und Ernst gemischten Ton.
    »Wir hatten gedacht, Sie auf dem Felde zu treffen, Wasili Semjonowitsch«, wandte sie sich an den Arzt, einen
    kränklichen Menschen. »Waren Sie nicht dort?«
    »Ich bin dort gewesen, aber ich habe mich verflüchtigt«, antwortete der Arzt mit mürrischer
    Scherzhaftigkeit.
    »Da haben Sie sich ja gute Bewegung gemacht.«
    »Ganz ausgezeichnete.«
    »Nun, und wie steht es denn mit dem Befinden der alten Frau? Es ist doch hoffentlich nicht Typhus?«
    »Ob nun Typhus oder nicht, jedenfalls geht es ihr nicht gut.«
    »Ach, das tut mir leid!« sagte Anna und wandte sich, nachdem sie auf diese Weise den niederen Tischgenossen den
    Tribut der Höflichkeit hatte zukommen lassen, wieder zu ihren Standesgenossen.
    »Aber es würde doch schwer sein, nach Ihrer Beschreibung eine solche Maschine zu bauen, Anna Arkadjewna«, meinte
    Swijaschski scherzend.
    »Warum sollte das nicht gehen?« erwiderte Anna mit einem Lächeln, das besagte, sie wußte wohl, in ihrer
    Erläuterung des Baues der Maschine habe etwas Liebliches und Anmutiges gelegen, das auch Swijaschski bemerkt haben
    müsse. Dieser neue Zug jugendhafter Koketterie überraschte Dolly und machte ihr einen unangenehmen Eindruck.
    »Aber dafür besitzt Anna Arkadjewna im Bauwesen ganz erstaunliche Kenntnisse«, sagte Tuschkewitsch.
    »Gewiß! Ich habe gehört, wie Anna Arkadjewna gestern sagte: ›Zu den Streben und den Plinthen‹«, sagte Weslowski.
    »Spreche ich auch die Ausdrücke richtig?«
    »Dabei ist nichts Wunderbares, wenn man soviel davon sieht und hört«, versetzte Anna. »Aber Sie wissen
    wahrscheinlich nicht einmal, aus welchem Stoff man Häuser baut.«
    Darja Alexandrowna sah, daß Anna sich über den neckenden Ton, der im Gespräche zwischen ihr und Weslowski üblich
    geworden war, ärgerte, trotzdem aber unwillkürlich selbst immer wieder in ihn zurückfiel.
    Wronski benahm sich in dieser Lage ganz anders als Ljewin. Er legte offenbar Weslowskis Geschwätz keine
    Wichtigkeit bei, sondern half im Gegenteil selbst bei solchen Späßchen aufmunternd mit.
    »Ja, ja, nun sagen Sie einmal, Weslowski, womit werden die Steine untereinander verbunden?«
    »Natürlich mit Mörtel.«
    »Bravo! Aber was ist denn nun Mörtel?«
    »So eine Art Brei ... nein, eine Art Kitt«, erwiderte Weslowski und rief dadurch allgemeines Gelächter
    hervor.
    Abgesehen von dem Arzte, dem Baumeister und dem Verwalter, die in finsteres Schweigen versunken dasaßen, geriet
    die Unterhaltung unter den Speisenden nie ins Stocken; bald glitt sie glatt dahin, bald hakte sie irgendwo ein und
    versetzte den einen oder anderen der Tischgenossen in Eifer. Einmal fühlte sich auch Darja Alexandrowna unangenehm
    berührt, und sie geriet so in Erregung, daß sie einen ganz roten Kopf bekam und erst nachher überlegte, ob sie auch
    nicht etwas Unpassendes, Verletzendes gesagt habe. Swijaschski war auf Ljewin zu sprechen gekommen und erwähnte
    dessen sonderbare Anschauung, daß die Maschinen für die russische Landwirtschaft nur ein Schaden seien.
    »Ich habe nicht das Vergnügen, diesen Herrn Ljewin zu kennen«, sagte Wronski lächelnd, »aber wahrscheinlich hat
    er

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