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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Edelmann zu einer Uniform zu verhelfen und auch
    von den beiden andern Betrunkenen wenigstens den einen zur Versammlung herbeizuschaffen.
    »Einen habe ich herbekommen; ich habe ihm Wasser über den Kopf gegossen«, meldete, zu Swijaschski tretend, der
    Gutsbesitzer, der die beiden hatte holen lassen. »Es geht mit ihm; er wird seine Sache schon machen.«
    »Ist er auch nicht zu sehr betrunken? Wird er uns nicht umfallen?« fragte Swijaschski kopfschüttelnd.
    »Nein, er ist ein strammer Bursche. Wenn sie ihn nur nicht hier wieder von neuem betrunken machen ... Ich habe
    den Bierausschenker streng angewiesen, ihm unter keinen Umständen etwas zu geben.«

29
    Der schmale Saal, in dem geraucht und gegessen wurde, war voll von Edelleuten. Die Aufregung steigerte sich
    immer mehr, und auf allen Gesichtern machte sich die Unruhe bemerkbar. Besonders aufgeregt waren die Wortführer,
    die mit allen Einzelheiten und mit der Berechnung aller Stimmen Bescheid wußten. Dies waren die Befehlshaber der
    bevorstehenden Schlacht. Die übrigen, ähnlich den gemeinen Soldaten vor der Schlacht, machten sich zwar auch zum
    Kampfe fertig, suchten sich aber in der Zwischenzeit noch zu vergnügen. Die einen aßen stehend oder an Tischen
    sitzend; die andern gingen, Zigaretten rauchend, in dem langen Saale auf und ab und unterhielten sich mit Freunden,
    die sie lange nicht gesehen hatten.
    Ljewin hatte keine Lust zu essen, auch rauchte er überhaupt nicht; zu einer Gruppe seiner Bekannten, das heißt
    zu Sergei Iwanowitsch, Stepan Arkadjewitsch, Swijaschski und einigen anderen, mochte er nicht herantreten, weil
    Wronski in seiner Hofstallmeister-Uniform bei ihnen stand und in lebhaftem Gespräche mit ihnen begriffen war. Schon
    tags zuvor hatte Ljewin ihn bei den Wahlen gesehen und war ihm absichtlich aus dem Wege gegangen, da er nicht mit
    ihm zusammenzutreffen wünschte. Er ging an ein Fenster, setzte sich dort auf einen Stuhl, betrachtete die einzelnen
    Gruppen und hörte auf das, was um ihn herum gesprochen wurde. Er war besonders deswegen verstimmt, weil er sah, wie
    alle lebhaft, eifrig und geschäftig waren und nur er allein mit einem uralten, zahnlosen, immer wispernd die Lippen
    bewegenden, kleinen Herrn in Marine-Uniform, der sich neben ihn gesetzt hatte, in Teilnahmslosigkeit und
    Untätigkeit verharrte.
    »Das ist ein nichtswürdiger Heimtücker! Ich habe es ihm schon längst gesagt, aber er wollte es nicht glauben. Na
    ja! In drei Jahren hat er es nicht fertiggebracht, eine Versammlung zu berufen«, sagte in energischem Tone ein
    Gutsbesitzer von kleiner Gestalt und gekrümmter Haltung, dessen stark pomadisiertes Haar über den gestickten Kragen
    seiner Uniform hing, und stampfte kräftig mit den Absätzen seiner neuen, offenbar für die Wahlen angefertigten
    Stiefel auf den Boden. Er warf Ljewin einen mißvergnügten Blick zu und drehte sich kurz um.
    »Ja, es ist eine unsaubere Geschichte, das ist nicht zu leugnen«, erwiderte ein anderer Gutsbesitzer,
    gleichfalls von kleinem Wuchse, mit hoher Stimme.
    Nach diesen beiden kam ein ganzer Haufe von Gutsbesitzern, die einen dicken General umringten, eilig in Ljewins
    Nähe. Sie suchten offenbar eine Stelle, wo sie miteinander reden konnten, ohne von anderen gehört zu werden.
    »Wie kann er sich erdreisten zu sagen, daß ich ihm habe die Hosen stehlen lassen! Ich denke mir, er hat sie
    versoffen. Und wenn er auch ein Fürst ist, ich habe auch nicht so viel Achtung vor ihm! So etwas darf er nicht zu
    behaupten wagen; das ist eine Unverschämtheit!«
    »Aber erlauben Sie! Man beruft sich auf einen bestimmten Paragraphen«, wurde in einer anderen Gruppe gesagt.
    »Die Ehefrau muß als Adlige eingetragen sein.«
    »Ich schere mich den Teufel um so einen Paragraphen! Ich rede die Wahrheit. Dafür sind wir richtige Edelleute.
    Wir können Vertrauen beanspruchen!«
    »Euer Exzellenz, trinken wir ein Gläschen Likör!«
    Ein anderer Trupp ging hinter einem Edelmanne her, der etwas mit lauter Stimme schrie; dies war einer der drei
    Betrunkenen.
    »Ich habe Marja Semjonowna immer dazu geraten, das Land zu verpachten, weil sie selbst keinen Gewinn daraus
    erzielt«, sagte mit angenehmer Stimme ein Gutsbesitzer mit grauem Schnurrbart, in der Oberstenuniform des alten
    Generalstabes. Es war jener Gutsbesitzer, den Ljewin bei Swijaschski getroffen hatte. Er erkannte ihn sofort. Auch
    der Gutsbesitzer sah ihn scharf an, und sie begrüßten sich.
    »Sehr angenehm! Gewiß, ich erinnere mich

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