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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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wiedergutzumachen.
    »Worum handelt es sich denn jetzt?« fragte Ljewin, wobei er Swijaschski und Wronski anblickte.
    »Um Snetkow. Er muß jetzt entweder ablehnen, sich als Kandidat aufstellen zu lassen, oder sich dazu bereit
    erklären«, antwortete Swijaschski.
    »Was hat er denn bisher getan, hat er sich bereit erklärt oder nicht?«
    »Das ist es ja eben, daß er weder das eine noch das andere getan hat«, erwiderte Wronski.
    »Aber wenn er nun ablehnt, wer wird denn dann kandidieren?« fragte Ljewin, indem er Wronski anblickte.
    »Wer da will«, antwortete Swijaschski.
    »Werden Sie es tun?« fragte Ljewin.
    »Ich? Beileibe nicht«, versetzte Swijaschski verlegen und mit einem ängstlichen Blick auf den neben Sergei
    Iwanowitsch stehenden giftigen Herrn.
    »Also wer denn dann? Newjedowski?« sagte Ljewin, der wohl merkte, daß er etwas Unpassendes geredet hatte.
    Aber diese letzte Frage war noch schlimmer. Newjedowski und Swijaschski kamen beide als Kandidaten in
    Betracht.
    »Ich nun schon in keinem Falle«, antwortete der giftige Herr. Es war Newjedowski selbst. Swijaschski stellte ihn
    und Ljewin einander vor.
    »Nun, hat dich das Fieber auch ergriffen?« sagte Stepan Arkadjewitsch zu Wronski, indem er ihm mit den Augen
    zuzwinkerte. »Es ist gerade wie bei den Rennen. Man kann wetten.«
    »Ja, es ist wirklich eine Art Fieber«, bemerkte Wronski. »Und hat man sich einmal auf die Sache eingelassen,
    dann will man sie auch durchführen. Ein Kampf!« sagte er, zog die Augenbrauen zusammen und preßte seine starken
    Kiefer aufeinander.
    »Welch feiner Kopf doch unser Swijaschski ist!« bemerkte Stepan Arkadjewitsch. »Für alles hat er ein so klares
    Verständnis.«
    »O ja«, antwortete Wronski zerstreut.
    Es trat eine Pause im Gespräche ein, während der Wronski, da man doch irgendwohin sehen muß, Ljewin anblickte,
    seine Beine, seine Uniform und dann sein Gesicht. Und als er Ljewins Augen finster auf sich gerichtet sah, fragte
    er, um doch irgend etwas zu sagen:
    »Wie kommt es denn, daß Sie, obwohl Sie doch dauernd auf dem Lande leben, nicht Friedensrichter sind? Sie tragen
    nicht die Uniform eines Friedensrichters.«
    »Weil ich der Ansicht bin, daß das Friedensgericht eine törichte Einrichtung ist«, antwortete Ljewin
    verdrießlich, obwohl er die ganze Zeit über auf eine Gelegenheit gewartet hatte, mit Wronski in ein Gespräch zu
    kommen, um die Unart, die er bei der ersten Begegnung begangen hatte, wiedergutzumachen.
    »Ich meine das nicht, im Gegenteil«, erwiderte Wronski mit ruhigem Lächeln.
    »Es ist eine Spielerei«, unterbrach ihn Ljewin. »Wir brauchen keine Friedensrichter. Ich habe in acht Jahren
    keinen Prozeß gehabt. Und wenn ich einen gehabt habe, so wurde er verkehrt entschieden. Der Friedensrichter wohnt
    vierzig Werst von mir entfernt. Um eines Prozesses willen, der zwei Rubel wert ist, muß ich einen Bevollmächtigten
    hinschicken, der mich fünfzehn Rubel kostet.«
    Und nun erzählte er, ein Bauer habe einem Müller Mehl gestohlen, und als der Müller ihm das auf den Kopf
    zusagte, habe der Bauer ihn wegen Verleumdung verklagt. Diese ganze Geschichte war unangebracht und töricht, und
    Ljewin wurde sich dessen, während er sprach, selbst bewußt.
    »Oh, er ist ein Original!« sagte Stepan Arkadjewitsch mit seinem schönsten Mandelöl-Lächeln. »Aber wir wollen
    gehen; es scheint, die Abstimmung beginnt.«
    Sie gingen auseinander.
    »Ich begreife nicht«, sagte Sergei Iwanowitsch, der den ungeschickten Ausfall seines Bruders mit angehört hatte,
    »ich begreife nicht, wie man bis zu einem solchen Grade alles politischen Taktes ermangeln kann. Das ist etwas, was
    wir Russen nun einmal nicht besitzen. Der Gouvernements-Adelsmarschall ist unser Gegner, aber du bist mit ihm ami
    cochon 1 und bittest ihn zu kandidieren. Dagegen Graf
    Wronski ... ich strebe ja nicht danach, sein Freund zu werden – er hat mich zum Essen eingeladen, aber ich werde
    nicht hingehen – indessen er gehört doch zu unserer Partei; warum soll man ihn sich zum Feinde machen? Dann hast du
    Newjedowski gefragt, ob er kandidieren werde. So etwas tut man nicht.«
    »Ach, ich verstehe von diesen Dingen nichts! Und das sind ja doch alles nur Possen«, erwiderte Ljewin
    verdrießlich.
    »Ja, du sagst, das sind Possen; aber sobald du mit deinen Fingern darankommst, bringst du uns alles in
    Unordnung.«
    Ljewin schwieg, und sie gingen zusammen in den großen Saal.
    Obgleich der Gouvernements-Adelsmarschall den gegen

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