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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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hätte wohl in
    deiner Gegenwart nicht so ungezwungen sein können. Ich erröte jetzt viel mehr, viel, viel mehr als dort«, fügte sie
    hinzu; sie errötete so stark, daß ihr die Tränen kamen. »Aber daß du nicht durch eine Ritze sehen konntest.«
    Ihre ehrlichen Augen ließen ihrem Mann keinen Zweifel daran, daß sie wirklich mit sich zufrieden war, und trotz
    ihres Errötens beruhigte er sich sofort und begann, sie näher zu befragen, was sie ja auch nur gewünscht hatte.
    Nachdem er alles erfahren hatte, sogar die Einzelheit, daß sie sich nur im ersten Augenblick nicht habe des
    Errötens erwehren können, daß ihr aber dann so harmlos und frei zumute gewesen sei wie jedem Beliebigen gegenüber,
    wurde Ljewin wieder ganz fröhlich und sagte, er freue sich über diesen Vorfall sehr und werde sich nun nicht wieder
    so töricht benehmen wie bei den Wahlen, sondern sich bei der nächsten Begegnung mit Wronski Mühe geben, möglichst
    freundlich und nett zu ihm zu sein.
    »Es ist eine widerwärtige Empfindung, denken zu müssen, daß man mit jemand so gut wie feind ist und ein
    Zusammentreffen etwas Peinliches hat«, sagte Ljewin. »Ich freue mich sehr, wirklich sehr.«

2
    »Also, bitte, fahre ja mit zu Bohls«, sagte Kitty zu ihrem Manne, als er zwischen zehn und elf Uhr, ehe er das
    Haus verließ, zu ihr in ihr Zimmer kam. »Ich weiß, du ißt zu Mittag im Klub; Papa hat dich dazu eingeschrieben.
    Aber was tust du denn bis dahin?«
    »Ich will eigentlich nur zu Katawasow«, antwortete Ljewin.
    »Warum willst du denn so früh dorthin?«
    »Er hat versprochen, mich mit Metrow bekannt zu machen. Ich möchte mit ihm gern über meine Arbeit sprechen; er
    ist ein namhafter Petersburger Gelehrter«, antwortete Ljewin.
    »Ja, ja, du lobtest ja neulich sosehr eine Abhandlung von ihm, nicht wahr? Nun, und dann?« fragte Kitty.
    »Dann fahre ich vielleicht noch aufs Gericht, in der Angelegenheit meiner Schwester.«
    »Willst du nicht auch ins Konzert?« fragte sie.
    »Was soll ich da allein?«
    »Ach was, fahr nur hin; da bekommst du die neuen Sachen zu hören, von denen wir neulich sprachen; sie
    interessieren dich ja so sehr. Wenn ich könnte, würde ich unbedingt hinfahren.«
    »Nun, jedenfalls komme ich vor dem Mittagessen noch einmal nach Hause«, erwiderte er und sah nach der Uhr.
    »Zieh doch den Oberrock an, damit du gleich mit zur Gräfin Bohl fahren kannst.«
    »Ist denn dieser Besuch unbedingt notwendig?«
    »Ja, gewiß, unbedingt! Er ist doch bei uns gewesen. Na, was macht es dir denn für Mühe? Du fährst hin, nimmst
    Platz, redest fünf Minuten lang über das Wetter, stehst wieder auf und fährst weg.«
    »Weißt du, du wirst es mir gar nicht glauben, aber ich habe mich von all diesem Formenwesen so entwöhnt, daß ich
    mich ordentlich schäme, dergleichen zu tun. Welchen Sinn hat das überhaupt: ein fremder Mensch kommt, setzt sich,
    bleibt ein Weilchen ganz zwecklos sitzen, stört die Leute vom Hause, verdirbt sich selbst die Laune und geht
    wieder.«
    Kitty lachte.
    »Aber als du noch unverheiratest warst, hast du ja doch wohl auch Besuche gemacht?« fragte sie.
    »Allerdings, aber es ist mir immer peinlich gewesen, und jetzt habe ich mich dessen so entwöhnt, daß ich
    wahrhaftig lieber zwei Tage hintereinander das Mittagessen entbehren möchte als diesen Besuch machen. Ich schäme
    mich geradezu! Ich habe immer die Vorstellung, daß die Leute es übelnehmen und im stillen sagen: Warum bist du
    eigentlich nur so ohne jeden Anlaß hergekommen?«
    »Nein, übelnehmen werden sie es dir nicht. Das versichere ich dir«, antwortete Kitty und blickte ihm lachend ins
    Gesicht. Sie ergriff seine Hand. »Nun adieu! Bitte, mach den Besuch nur!«
    Er küßte seiner Frau die Hand und war schon im Begriff, wegzugehen, als sie ihn wieder zurückhielt.
    »Konstantin, weißt du wohl, daß ich nur noch fünfzig Rubel habe?«
    »Nun schön, ich werde mit zur Bank fahren und Geld abheben. Wieviel willst du haben?« versetzte er mit dem ihr
    wohlbekannten unzufriedenen Gesichtsausdruck.
    »Nein, bitte, warte noch ein bißchen.« Sie hielt ihn an der Hand zurück. »Wir wollen darüber reden; mich
    beunruhigt das. Ich gebe meiner Meinung nach nichts unnütz aus, und trotzdem ist das Geld immer wie weggeblasen.
    Wir müssen wohl irgendeinen Fehler machen.«
    »Ganz und gar nicht«, erwiderte er, räusperte sich und sah sie mit gesenktem Kopfe von unten her an.
    Dieses Räuspern kannte sie an ihm. Das pflegte bei ihm ein

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