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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Zeichen starker Unzufriedenheit zu sein – der
    Unzufriedenheit nicht mit ihr, sondern mit sich selbst. Er war tatsächlich unzufrieden, aber nicht deswegen, weil
    viel Geld draufging, sondern weil er an etwas erinnert wurde, was er in dem Bewußtsein, daß dabei etwas nicht
    stimmte, gern vergessen hätte.
    »Ich habe Sokolow angewiesen, den Weizen zu verkaufen und sich die Pacht für die Mühle im voraus geben zu
    lassen. Wir werden unter allen Umständen Geld zur Verfügung haben.«
    »Gewiß, aber ich fürchte, daß wir überhaupt zuviel ...«
    »Durchaus nicht, durchaus nicht!« versetzte er. »Nun adieu, mein Herz!«
    »Nein, wirklich, es tut mir manchmal leid, daß ich Mamas Rat gefolgt bin. Wie schön wäre es auf dem Lande
    gewesen! So mache ich euch allen Unbequemlichkeiten, und wir vergeuden unser Geld.«
    »Durchaus nicht, durchaus nicht. Seit wir geheiratet haben, ist es noch kein einziges Mal vorgekommen, daß ich
    gewünscht hätte, es möchte lieber anders sein, als es war.«
    »Im Ernst?« sagte sie und blickte ihm in die Augen.
    Er hatte das gesagt, ohne viel zu überlegen, nur um sie zu trösten. Aber als er sie nun anblickte und diese
    treuen, lieben Augen fragend auf sich gerichtet sah, da wiederholte er denselben Satz noch einmal von ganzem
    Herzen. ›Ich vergesse wirklich manchmal zu meiner Schande, meiner Frau etwas Liebes zu tun‹, dachte er. Und dabei
    fiel ihm ein, was in so naher Zukunft ihnen bevorstand.
    »Ob es wohl bald ...? Was meinst du?« flüsterte er, indem er ihre beiden Hände ergriff.
    »Ich habe es schon so oft gedacht, daß ich jetzt nichts mehr denke und nichts mehr weiß.«
    »Und du hast keine Furcht?«
    Sie lächelte geringschätzig.
    »Keine Spur«, erwiderte sie.
    »Also, wenn etwas vorfallen sollte, ich bin bei Katawasow.«
    »Nein, es wird nichts vorfallen, es ist nicht daran zu denken. Ich fahre mit Papa auf dem Boulevard spazieren.
    Dann machen wir einen Besuch bei Dolly. Vor dem Mittagessen erwarte ich dich. Ach ja, das wollte ich noch sagen:
    Weißt du wohl, daß Dollys Lage ganz unhaltbar zu werden anfängt? Sie steckt tief in Schulden und hat gar kein Geld.
    Ich habe gestern mit Mama und mit Arseni« (so nannte sie Herrn Lwow, den Mann ihrer Schwester) »darüber gesprochen,
    und es schien uns das beste, daß ihr beide, du und er, Stiwa einmal ordentlich vornehmen möchtet. So geht es
    schlechterdings nicht weiter. Mit Papa kann man darüber nicht reden ... Aber wenn du und er ...«
    »Aber was können wir denn dabei ausrichten?« fragte Ljewin.
    »Jedenfalls geh einmal zu Arseni und sprich mit ihm; er wird dir genauer sagen, was wir beschlossen haben.«
    »Nun, daß ich mit Arseni in allem einverstanden sein werde, weiß ich im voraus. Also, ich will zu ihm fahren. –
    Apropos, wenn ich ins Konzert soll, so könnte ich ja mit Natalja zusammen hin. Nun adieu!«
    An der Haustür hielt ihn der alte Kusma an, der schon in Ljewins Junggesellenzeit sein Diener gewesen war und
    nun in der Stadt den Wirtschaftsangelegenheiten Ljewins vorstand.
    »Prachtkerl« (dies war das linke Deichselpferd, das vom Gute mitgebracht war) »ist beschlagen worden; aber er
    hinkt immer«, sagte er. »Was, befehlen Sie, soll geschehen?«
    In der ersten Zeit seines Moskauer Aufenthaltes hatte Ljewin sich viel mit den Pferden abgegeben, die er vom
    Gute mitgebracht hatte. Er wollte gern diesen Teil seiner Wirtschaft möglichst gut und dabei möglichst billig
    einrichten; aber es stellte sich heraus, daß eigenes Fuhrwerk ihn teurer zu stehen kam als Mietswagen, und daß es
    ohne Benutzung von Mietswagen doch nicht abging.
    »Laß den Tierarzt holen; vielleicht ist es eine Verletzung.«
    »Und wie soll Katerina Alexandrowna ausfahren?« fragte Kusma.
    Ljewin war jetzt nicht mehr, wie in der ersten Zeit seines Aufenthaltes in Moskau, darüber erstaunt, daß für
    eine Fahrt von der Wosdwischenkastraße nach der Siwzew-Wraschek-Straße zwei starke Pferde vor einen schweren Wagen
    gespannt werden mußten, um ihn einige hundert Schritte weit durch den Schneeschlamm zu ziehen und dort vier Stunden
    lang bis zur Rückfahrt stillzustehen, und daß er dann dafür fünf Rubel bezahlen mußte. Jetzt erschien ihm das schon
    als etwas ganz Natürliches.
    »Sag dem Fuhrherrn, er möchte zwei Pferde für unsern Wagen schicken«, antwortete er.
    Nachdem Ljewin, dank den Einrichtungen in der Stadt, in so einfacher, leichter Weise eine Schwierigkeit erledigt
    hatte, die auf dem Lande soviel persönliche

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