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Anonym - Briefe der Lust

Anonym - Briefe der Lust

Titel: Anonym - Briefe der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
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als sich einer der Ärmel nach oben schob, sah ich den flachen Lederstreifen seines Armbands. Des Armbands, das ich ihm geschickt hatte. Des Armbands, das zeigte, dass er mir gehörte.
    „Fertig zum Aufbruch?“ Eric hielt mir die Tür auf, und wir traten beide hinaus in die warme Luft des Frühlingsabends.
    „Ich bin dem Hungertod nahe“, erklärte ich. „Ich hatte die Fenster offen und konnte das Schmalzgebäck oben in meiner Wohnung riechen.“
    Er klopfte sich auf den Bauch. „Dann gehen wir erst mal dorthin.“
    Überall am Flussufer waren für das erste Sommerfest des Jahres Stände aufgebaut worden. In einigen wurden Kunstgegenstände und Handarbeiten verkauft, in anderen Produkte von örtlichen Firmen ausgestellt. Einige boten Spiele an, bei denen man billigen Kram gewinnen konnte, wie zum Beispiel Wasserflaschen, die mit den Namen von Banken und Restaurants geschmückt waren. Was Sommerfeste betraf, gehörte dieses zu den eher bescheidenen, aber mich interessierte ohnehin am meisten das Essen.
    Es gab mehrere Reihen von Buden, in denen fettiges, köstliches Jahrmarktsessen angeboten wurde. Würstchen im Schlafrock, Eiscreme, Pommes frites mit Essig. Mein Magen knurrte entsetzlich laut, als wir die Front Street überquerten, um zu dem Gehweg auf der anderen Seite zu gelangen, auf dem wir eine Viertelmeile nach links dorthin gingen, wo die Buden standen. Musik von einer der lokalen Radiostationen dröhnte aus einer riesigen Lautsprecherbox, die auf einem Lastwagen stand. Als wir vorbeikamen, verteilten Morgenshow-Moderatoren gerade T-Shirts, Kaffeebecher und Schlüsselanhänger.
    „Möchtest du etwas?“, erkundigte sich Eric, während ich zur Seite trat, um einer Mutter Platz zu machen, die auf der Jagd nach kostenlosem Plunder mit einer Zwillingskarre vorbeieilte. „Ein T-Shirt?“
    „Nein, danke. Ich höre diesen Sender nicht. Und außerdem spielt es keine Rolle, dass es nichts kostet, wenn ich es ohnehin nicht benutze.“
    „Hast du etwas dagegen, wenn ich mir eins hole? Man kann nie genug T-Shirts haben.“
    „Geh nur.“ Ich betrachtete die Menge, die den Lautsprecher umringte, versuchte abzuschätzen, wie lange er brauchen würde, um sein T-Shirt zu bekommen, und verglich mein Ergebnis mit der Schlange, die vor dem Stand mit Schmalzgebäck stand. „Ich stelle mich inzwischen beim Schmalzgebäck an.“
    Wir trennten uns, und ich schob mich durch die Menge. Die Werbegeschenke mochten von schlechter Qualität und das Essen überteuert sein, aber das schien niemanden zu kümmern. Kinder trugen in ihren mit Eiscreme verschmierten Händen Luftballons, und Pärchen gingen Hand in Hand. Ich stand in der Schlange hinter einem Paar mit identischen Tattoos auf den Handgelenken, zwei verschlungenen Herzen. Als ich sah, wie sie miteinander tuschelten und kicherten, während ihre Finger sich verflochten und sie für nichts und niemanden sonst Augen hatten, spürte ich brennenden Neid im Bauch.
    Auf meiner Haut erinnerten mich wieder Spitze und Seide daran, wie es sich anfühlte, begehrt zu werden. Gewollt. Wenn einem widerspruchslos gehorcht wurde. Keiner dieser Gedanken tat mir sonderlich gut, hier in dieser Umgebung, in der Frühlingssonne, mit einem Zehndollarschein in der Faust und niemandem, der meine Hand hielt.
    Ich schaute mich nach Eric um, erhaschte aber nur einen kurzen Blick auf einen Kopf mit dunklen, lockigen Haaren, der vielleicht seiner war. Inzwischen drängelten sich noch mehr Leute um den Lautsprecher, und der DJ, der mit einem Mikrofon in der Hand auf einer kleinen Plattform stand, kündigte irgendeinen Wettbewerb an. Die Schlange vor mir rückte schneller vor, als ich es erwartet hatte, und ich gab meine Bestellung auf und hielt einen Pappteller mit warmem Gebäck voll Puderzucker in der Hand, bevor der DJ auch nur einen Gewinner gezogen hatte.
    Auf den ersten Blick waren sie einfach nur ein weiteres Pärchen, sie auf wackeligen High Heels, die besser in einen Pin-up-Kalender als zu einem Spaziergang am Fluss gepasst hätten, und er in ausgeblichenen Baggyjeans und einem T-Shirt, das die Muskeln seiner Arme hervorhob. Das Sonnenlicht ließ sein blondes Haar rötlich leuchten, und ich redete mir ein, aus diesem Grund hätte ich ihn nicht sofort erkannt. Aber der wahre Grund war, dass Austin mit einer anderen Frau an seiner Seite zu einem Fremden geworden war.
    Sie hingegen erkannte mich auf den ersten Blick und stieß ein Quietschen hervor, das einen Spiegel hätte zum Zerspringen

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