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Anonym - Briefe der Lust

Anonym - Briefe der Lust

Titel: Anonym - Briefe der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
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Menschen, die den Körper als Tempel betrachten. Man muss gut für ihn sorgen, damit er seinen Zweck erfüllen kann.
    Ab morgen wirst Du Haferflocken zum Frühstück essen. Süße sie ganz nach Deinem Geschmack.
    Heute wirst Du drei Tassen Kaffee weniger trinken als sonst und sie durch Wasser ersetzen.
    Heute wirst Du Dein übliches Work-out um fünfzehn Minuten verlängern.
    Heute wirst Du Dich ernsthaft mit Deinem Zigarettenkonsum beschäftigen. Du darfst nur alle zwei Stunden eine Zigarette rauchen. Während Du rauchst, darfst Du nebenbei nichts anderes machen. Du wirst Dich vollkommen auf meine Anweisungen konzentrieren. Jedes einzelne Mal, wenn Du Dir eine Zigarette anzündest, wirst Du an das Wort Disziplin denken.
    Schließlich und endlich wirst Du Deine Anstrengungen in Deinem Tagebuch niederschreiben und in allen Einzelheiten Deine Gedanken und Gefühle beschreiben, ganz besonders Deine Gedanken darüber, was „Disziplin“ für Dich bedeutet.
    „Tut dies zu meinem Gedächtnis, und gehet hin in Frieden und gedenket des Herrn“, murmelte ich spöttisch. „Wow!“
    Die zweite Nachricht hatte zwischen einer Handvoll Rechnungen und Spendenaufrufe gesteckt, und sie war mir in die Hand geglitten, als wäre sie nur für mich geschrieben worden. Ich hatte nicht vorgehabt, sie zu öffnen, aber irgendetwas an dem glatten, geschmeidigen Papier und der Tatsache, dass der Umschlag nicht zugeklebt war, sorgte dafür, dass ich mich nicht an meinen Vorsatz hielt. Hey, der Umschlag hatte in meinem Briefkasten gesteckt, oder etwa nicht? Obwohl die Nummer auf der Vorderseite 114 und nicht 414 lautete und obwohl ich es besser wusste, las ich den Brief.
    Immer noch hatte ich keine Ahnung, was zum Teufel die Zeilen bedeuteten oder was der Absender erreichen wollte. Wieder und wieder drehte ich die Karte in meiner Hand um, dann las ich die Nachricht noch einmal. Schließlich klappte ich die Doppelkarte zu und starrte sie an, begriff aber trotzdem nicht, was das sollte.
    Vielleicht hatte das Ganze auch überhaupt keinen tieferen Sinn. Oder es ging um eine verrückte neuartige Diät oder eine Selbsthilfegruppe. Ich hatte von einer Vereinigung gehört, die neue Mitglieder anlockte, indem sie ihnen einen Mentor zur Seite stellte. Es handelte sich um so etwas wie ein Zwölf-Punkte-Programm für Esssüchtige, und man ging davon aus, dass es hilfreich war, einen Verbündeten zu haben. Das war die einzige Erklärung, die mir zu der Nachricht einfiel, aber irgendwie schien sie nicht richtig zu passen.
    Erneut hob ich die Karte und untersuchte sie genauer nach Hinweisen. Ich strich mit den Fingerspitzen über das Papier. Auch dieses Mal hatte es raue Kanten, als hätte jemand einen großen Bogen in kleinere Formate geschnitten. Wieder keine Unterschrift, und zum zweiten Mal in den falschen Briefkasten gesteckt.
    Immer noch hielt ich die Karte in der Hand. Meine Finger strichen an den Rändern entlang, und mein Daumen liebkoste das dicke Papier. Ich schaute noch einmal auf den Text, las einen einzelnen Satz.
    Disziplin?
    Ich kapierte es immer noch nicht. Endlich verbot ich mir, an der Tinte zu riechen und steckte die Karte zurück in ihren Umschlag. Außer mir standen noch andere Mieter vor den Briefkästen, und ich legte keinen Wert darauf, Aufmerksamkeit zu erregen. Ich ging zum Briefkasten für Apartment 114 und betrachtete ihn ebenfalls genau. Die Messingzahlen waren edel verwittert, aber nicht abgenutzt. Eigentlich war es nicht möglich, die Eins mit der Vier zu verwechseln oder umgekehrt, selbst wenn die Zahlen auf der Karte ein wenig verschmiert waren.
    „Verzeihung.“ Die Frau, die plötzlich neben mir aufgetaucht war, lächelte mich auf eine Weise an, die entschuldigend erscheinen sollte, aber einfach nur genervt wirkte. „Darf ich bitte an meinen Briefkasten?“
    „Oh. Tut mir leid.“ Hastig warf ich den Umschlag in den Schlitz von Nummer 114 und fragte mich, ob die Frau durch einen glücklichen Zufall genau in diesen Briefkasten schauen würde.
    Sie benutzte jedoch ihren Schlüssel, um einen anderen Kasten zu öffnen, aus dem sie einen dicken Stapel Briefe holte. Dann bückte sie sich und schaute durch das Loch in der Rückwand der Metallbox in das Büro hinter den Kästen, aber der Angestellte, der die Post verteilte, war bereits ganz am Ende der Reihe. Sie richtete sich wieder auf und schloss die Klappe ihres Briefkastens, bevor sie mit einem empörten Schnauben ihre Umschläge durchblätterte.
    „Nie kommt etwas, wenn

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