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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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goldenes Licht tauchte, brannten alle Lampen. Musste das sein? Ärgerlich starrte Rosanna auf den ihr zugewandten Rücken, der in einem der hohen Lehnsessel vor dem Kamin fast verschwand. Wahrscheinlich hätte der alte Tattergreis am liebsten noch ein Feuer angezündet! Aber da hatte selbst ihre Gastfreundschaft Grenzen: Im Sommer wurde nur abends der Kamin im Esszimmer angemacht. Ansonsten lagen für besonders verfrorene Gäste überall Decken bereit.
    Rosanna räusperte sich, um den Gast auf ihr Eintreten aufmerksam zu machen. »Einen schönen guten Tag, der Herr, man hat mir gesagt, dass Sie …«
    Der Rest ihrer Begrüßung wurde von einem heftigen Niesanfall verschluckt.
    Rosanna presste ihre Lippen zusammen. Was für eine Zumutung! Und wie rücksichtslos den anderen Gästen gegenüber. Instinktiv hielt sie sich eine Hand vor Mund und Nase. Es wäre schrecklich, wenn sie sich ansteckte. Zaghaft ging sie um den Sessel herum, um den Kranken näher zu betrachten.
    Ãœber einem riesigen karierten Taschentuch starrten ihr zwei braune Augen entgegen.
    Was für schöne Augen!, durchfuhr es Rosanna. Ein warmes Haselnussbraun mit grünen Sprenkeln darin. Ihre Wut verrauchte so schnell, wie sie gekommen war. Sie konnte nicht anders, als in diese Augen zu blicken, auch wenn sie im Moment so sehr tränten, dass man den Eindruck haben konnte, der Mann weine bitterlich. Mitleidig betrachtete sie kurz darauf die rot angeschwollene Nase, die hinter dem Taschentuch zum Vorschein kam und deren Haut vom vielen Schnäuzen ganz wund war.
    Ich starre ihn ja an! Rosanna schoss die Röte ins Gesicht. Hastig wandte sie den Blick ab.
    Kein alter Tattergreis. Höchstens so alt wie sie. Von durchschnittlicher Statur, mit dunkelblonden Haaren, unregelmäßig kurz geschnitten, als habe er sie eigenhändig mit einem Messer abgesäbelt. Trotzdem ein gut aussehender Mann, aber kein eitler, davon zeugten seine Schuhe, von denen der linke ein Loch aufwies. Ob er womöglich arm war? Aber wie konnte er sich dann einen Aufenthalt hier oben leisten?
    Was geht mich das alles an?, fragte sich Rosanna plötzlich und zwang sich, an all die Aufgaben zu denken, die noch vor ihr lagen. Das Beste würde sein, ihr Gespräch mit dem Kranken so rasch wie möglich hinter sich zu bringen. Mühsam suchte sie nach Worten, mit denen sie ihn höflich auf sein Zimmer komplimentieren konnte.
    Â»Entschuldigen Sie, verehrte Frau Rosanna, aber ich habe immer so einen schrecklichen Schnupfen, sobald ich in die Nähe von frisch gemähten Wiesen …« Der Rest des Satzes ging in einem neuerlichen Niesanfall unter. »Jedes Jahr werde ich von dieser – hatschi! – Plage befallen, aber so schlimm wie diesmal war es noch nie. Und das ausgerechnet während meines Aufenthaltes in Ihrem schönen – hatschi! – Haus!« Verlegen zuckte der Mann mit den Schultern.
    Schnupfen nur dank frisch gemähter Wiesen? Aber das konnte ja gar nicht ansteckend sein! Rosanna unterdrückte ein nervöses Kichern. Wehe, wenn sie Sieglinde in die Finger bekam! Andererseits gab der Mann wirklich eine jämmerliche Figur ab, wie er so in dem Sessel kauerte, Schreibzeug und Stifte halb vom Schoß gerutscht, die Stirn erhitzt und schweißnass …
    Impulsiv zog Rosanna einen Sessel heran, setzte sich ihm gegenüber und griff nach seiner Hand. »Kein Wunder, dass Sie sich hier drinnen verschanzen, Sie Ärmster! Aber vielleicht ist morgen schon das Schlimmste vorüber. Sie wissen doch sicher, was man sagt: Menschen und Juniwind ändern sich geschwind!«
    Â»Meinen Sie?« Seine Stimme war weich, melodisch. Er hatte seine haselnussbraunen Augen fast flehentlich auf Rosanna gerichtet.
    Sie nickte eifrig. Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus.
    Unvermittelt hatte Rosannas natürliche Redegewandtheit sie im Stich gelassen. Die freundlichen, unverbindlichen Worte, das Geplänkel, das sie sonst mit ihren Gästen austauschte – alles vergessen. Die Luft im Raum war plötzlich aufgeladen wie vor einem Gewitter. Rosanna fuhr sich unsicher durch die Haare.
    Als sie aufstand, zitterten ihre Knie. »Ich werde Ihnen Tee bringen lassen. Mit viel Honig darin. Und ein kaltes Tuch für die Stirn.« Ihr Lächeln wirkte verkrampft, irgendwie unecht.
    Â»Nein, warten Sie!« Der Mann sprang ebenfalls auf. Das Taschentuch, Papierbögen,

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