Apocalypsis 1 (DEU)
ist mein Leben. Ich bin glücklich.«
»Nein, das glaube ich nicht. Du wirkst ganz und gar nicht glücklich.«
»So?« Ihr Gesicht nahm wieder diesen spöttischen Ausdruck an. »Wie wirke ich denn?«
Wie eine unerreichbare Verheißung, Maria.
»Verloren. Du bist noch längst nicht da, wo du hingehörst. Kann mich täuschen, aber so wirkst du.«
Sie sah Peter schweigend an und wandte sich dann doch wieder dem Meer unter sich zu.
»Weiß du, was ich noch glaube? Du machst es dir zu leicht. Wie kann man sein Leben an einen Glauben verschenken, der ernsthaft und stur immer noch auf der unbefleckten Empfängnis beharrt, auf der Himmelfahrt des Leibes Christi – über den es als Mensch übrigens historisch rein gar keine Belege gibt. Wie kann man ernsthaft an die physische Existenz des Satans glauben? Und wie, Maria, kann man das neue Testament – also hallo, das Werk eines Schwärmers und Demagogen, der Jesus nie begegnet ist – für Gottes Wort halten?«
Sie wirkte nun ebenfalls gereizt.
»Worauf kommt es denn dann an, deiner Meinung nach? Woran soll man glauben? An die Quantenphysik, die mehr Fragen aufwirft, als sie erklären kann? Warum sollte Gott nicht imstande sein, einer Jungfrau eine Geburt zu schenken? Warum sollte ein Mensch nicht leibhaftig auferstehen können? Na klar, wenn du selbst festlegst, was sein darf und was nicht, wenn du die Grenzen des Möglichen bestimmst und niemand sonst, dann kann, dann darf das alles nicht wahr sein. Aber das ist doch intellektuelle Arroganz. Zu sagen: Hey, da ist ein Widerspruch, also ist es Unsinn und unmöglich. Aber weißt du denn so viel mehr als alle diejenigen, die glauben?«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel Engel. Wissenschaftler konnten nachweisen, dass Menschen mit solchen Flügeln aus physikalischen Gründen niemals fliegen könnten. Sie konnten aber nicht beweisen, dass es keine Engel gibt. Und du kannst nicht beweisen, dass Gott nicht existiert. Ich versteh dich sogar, du bist verwirrt von dem, was du in den letzten Tagen erlebt hast. Wie soll sich jemand wie du auch eine Vision erklären, die ein neapolitanischer Junge wortwörtlich wiederholt hat – wenn er nicht an Gott glaubt. Ich bin sicher, diese Verwirrung wird vergehen, wenn du akzeptierst, dass Gott real ist und nicht bloß eine Gehirnfehlfunktion, an der ein paar Milliarden Menschen leiden. Vielleicht fragst du dich ja zwischendurch mal, warum jemand wie du sich ausgerechnet auf die Berichterstattung über den Vatikan spezialisiert hat. Ich bin verloren, sagst du? Noch nicht da angekommen, wo ich eigentlich hingehöre? Na gut, meinetwegen. Willkommen im Club, Peter.«
XXXVI
13. Mai 2011, Questura di Roma, Rom
D ie Berichte, die Urs Bühler laufend erhielt, alarmierten ihn zunehmend. In der Nähe von Santiago de Compostela hatte man die grausam verstümmelte Leiche von Kardinal Torres entdeckt, einem der Favoriten bei der Wahl des neuen Papstes. In Mailand war ein Priester ermordet worden, wieder buchstäblich von einer Machete zerhackt. In der letzten Nacht hatte es eine Schießerei in der Kirche Santa Croce in Gerusalemme gegeben. Man hatte Blutspuren gefunden, jedoch keine Leichen oder Verletzten. Ein Labor für geochemische Analysen meldete das Verschwinden eines seiner Doktoranden. Das Verschwinden dieses Gianni Manzoni wäre erst gar nicht in Bühlers Berichten aufgetaucht, wenn das Institut Branciforti nicht öfter für den Vatikan arbeiten würde und wenn dieser Manzoni sich nicht am Tag zuvor mit Don Luigi getroffen hätte. Das war der nächste Punkt: Auch Don Luigi war wie vom Erdboden verschluckt, genauso wie Peter Adam. Und in fünf Tagen begann das Konklave. Es wurde eng.
Bühler wusste selbst, dass er außerhalb der vatikanischen Mauer keinerlei Ermittlungsbefugnisse hatte, aber bislang hatten die Schweizergerade und die Carabinieri immer gut zusammengearbeitet. Man hielt sich gegenseitig auf dem Laufenden, und beide Seiten profitierten davon. Damit schien nun schlagartig Schluss zu sein.
Nachdem Peter Adam aus einem Verhör durch internationale Geheimdienste entkommen war, herrschte bei den Italienern höchste Nervosität. Inzwischen waren sie zu blankem Aktionismus übergegangen und ließen eine islamistische Zelle nach der anderen hochgehen, die sie über Monate mühsam observiert hatte. Bühler wunderte sich nicht, dass Polizei und italienischer Inlandsgeheimdienst außer ein paar Handfeuerwaffen. Schon gar keine Hinweise auf Peter Adam. Das Ganze entwickelte sich
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