Archer Jeffrey
schmeichelte. Er fand Gefallen an diesem neuen Status, obwohl Kate ihn daran erinnerte, daß nur die Königin es sich leisten konnte, ihre Position als selbstverständlich zu betrachten.
Beim Parteitag der Labour Party ging Andrew Fraser, der Raymond jetzt oft ins Vertrauen zog, mit ihm zum Lunch; diese gemeinsamen Mittagessen waren schon zur Tradition geworden. Andrew beklagte sich über den immer merkbarer werdenden Linksdrall der Partei.
»Wenn ein paar dieser Beschlüsse über die Landesverteidigung angenommen werden, wird mein Leben unerträglich«, sagte er und versuchte, ein zähes Stück Fleisch zu zersäbeln. »Die Heißsporne schlagen immer Resolutionen vor, die nur der Form halber diskutiert werden.«
»Der Teufel soll diese Diskussionen holen. Einige der verrückten Ideen gewinnen an Boden und könnten zur Parteipolitik werden.«
»Bekümmert dich eine bestimmte Resolution?« fragte Raymond.
»Ja, Tony Benns Vorschlag, daß die Abgeordneten vor jeder Wahl neu gewählt werden sollten. Das ist seine Vorstellung von Demokratie und Verantwortlichkeit.«
»Warum fürchtest du dich davor?«
»Wenn die Parteizentrale von einem halben Dutzend Trotzkisten übernommen wird, können diese eine Entscheidung zunichte machen, die vorher fünfzigtausend Wähler getroffen haben.«
»Ich glaube, du siehst zu schwarz, Andrew.«
»Raymond, wenn wir die nächste Wahl verlieren, sehe ich eine so schlimme Parteispaltung voraus, daß wir uns vielleicht nie mehr davon erholen werden.«
»Das sagt man in der Labour-Partei seit ihrer Gründung.«
»Ich hoffe, du hast recht, aber die Zeiten haben sich geändert. Es ist nicht lange her, daß du mich beneidet hast.«
»Das kann sich wieder ändern.« Raymond gab den Kampf mit dem Steak auf, winkte der Kellnerin und bestellte zwei große Cognacs.
Charles ging zum Telefon und wählte eine Nummer, die er auswendig kannte. Das junge portugiesische Dienstmädchen antwortete.
»Ist Lady Fiona zu sprechen?«
»Lady nicht zu Hause, Sir.«
»Wissen Sie, wo sie ist?« fragte Charles langsam und deutlich.
»Zum Land gefahren. Zurück um sechs Uhr. Soll ich Nachricht geben, bitte?«
»Nein, danke. Ich rufe abends nochmals an.« Charles legte auf.
Der verläßliche Mr. Cruddick war wie immer richtig informiert. Charles rief ihn sofort an, und man vereinbarte, sich in zwanzig Minuten zu treffen.
Charles fuhr nach Boltons, parkte das Auto in der Nähe des Hauses seines Schwiegervaters und wartete.
Ein paar Minuten später kam ein großer Lastwagen um die Ecke und hielt vor dem Haus. Mr. Cruddick in einem braunen Overall und einer Schirmkappe sprang vom Fahrersitz. Ein junger Gehilfe öffnete den Laderaum. Mr. Cruddick nickte Charles zu, bevor er zur Haustür ging.
Auf sein Klingeln kam das portugiesische Dienstmädchen.
»Wir kommen, um Sachen für Lady Seymour abzuholen.«
»Nicht verstehen«, sagte das Mädchen.
Mr. Cruddick zog einen langen, auf Lady Seymours persönlichem Briefpapier geschriebenen Brief aus der Tasche. Die kleine Portugiesin konnte die Worte des Briefes nicht lesen, in dem ihre Herrin angeblich einwilligte, Präsidentin des Croquet Clubs zu werden, aber sie erkannte den Briefkopf und die Unterschrift. Sie nickte und öffnete die Tür. Mr. Cruddicks sorgfältig ausgearbeiteter Plan funktionierte.
Mr. Cruddick legte die Hand an die Mütze, zum Zeichen, daß Mr. Seymour ihm folgen konnte. Charles sah sich um, bevor er aus dem Auto stieg und die Straße überquerte. Er fühlte sich nicht wohl in dem Arbeitsanzug und fand die Kappe abscheulich, die ihm Mr. Cruddick gegeben hatte. Sie war ein bißchen zu klein, und Charles wußte, daß er sonderbar aussah, aber die Portugiesin merkte offenbar nicht, wie schlecht sein aristokratisches Auftreten zu der Arbeitskleidung paßte. Die Bilder waren rasch gefunden; die meisten standen noch in der Halle, und nur zwei waren aufgehängt.
Vierzig Minuten später hatten die drei Männer alle Bilder auf den Laster geladen außer einem. Der Holbein, das Porträt des Earl of Bridgwater, war nicht zu finden.
»Wir müssen fort«, meinte Mr. Cruddick nervös, aber Charles suchte weiter. Es vergingen weitere dreißig Minuten, bis Charles die Suche aufgab. Mr. Cruddick winkte dem Dienstmädchen, sein Gehilfe schloß den Laderaum.
»Ist es ein wertvolles Bild, Mr. Seymour?«
»Ein Familienerbstück, das bei jeder Auktion zwei Millionen erzielen würde«, sagte Charles trocken, bevor er zu seinem Wagen ging.
»Eine dumme Frage, Albert Cruddick«,
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