Argeneau Vampir 16 - Der Vampir in meinem Bett
verspürt hatte, weshalb er jetzt auch solche Schwierigkeiten damit hatte, sich zurückzuhalten. Jahrhunderte waren vergangen, seit er zum letzten Mal Lust auf Sex gehabt hatte, was für seine Art nichts Ungewöhnliches war. Unsterbliche verloren nach ein oder zwei Jahrhunderten oft das Interesse an Sex und an althergebrachter Nahrungsaufnahme. Beides wurde dann nur noch als lästig empfunden und schließlich eingestellt, um sich damit nicht länger belasten zu müssen.
Sein Interesse an Essen war eingeschlafen, als er ungefähr hundertfünfzig war, und Sex hatte in etwa zur gleichen Zeit an Bedeutung verloren. Beides hatte seitdem seinen Reiz verloren, doch sein lange Zeit für tot gehaltenes Verlangen war schlagartig wieder zum Leben erwacht, als er Carolyn begegnet war. Wäre ihm nicht bewusst gewesen, dass seine Familie ihn vom Van aus genau beobachtete, hätte Christian diesen Gutenachtkuss vielleicht nicht so schnell beendet. Gewollt hatte er es ohnehin nicht. Viel lieber hätte er sie Stück für Stück ausgezogen und … Verdammt! Hätte er auf seine Instinkte gehört, wäre er vermutlich nicht in der Lage gewesen, die nötige Willenskraft aufzubringen und Carolyn ins Haus zu schicken, damit er die Tür hinter ihr zuziehen konnte. Dann wäre er wohl eher an Ort und Stelle über sie hergefallen, ohne Rücksicht darauf, dass sich unter ihnen nur harter Steinboden befand. Wenn er mit ihr allein war, musste er auf jeden Fall die Finger und auch sämtliche anderen Körperpartien von ihr fernhalten. Hoffentlich würde ihm das auch gelingen.
Er konzentrierte sich wieder auf Carolyn, die noch immer über St. Lucia redete. Sie wirkte jetzt viel entspannter als bei ihrer ersten Begegnung. Es beruhigte ihn, dass er die richtige Taktik gewählt hatte, sich bei ihr für den Kuss zu entschuldigen und ihr in Aussicht zu stellen, möglichst viel Zeit mit ihr allein verbringen zu wollen, damit sie nicht von den anderen beobachtet wurden und sich derentwegen küssen mussten.
»Ich war ziemlich deprimiert, als wir hier ankamen und nur Paare sahen, die ihre Flitterwochen hier verbringen«, gestand sie ihm soeben. »Und als dann Bethany auch noch ausgefallen ist … na ja, es war jedenfalls sehr frustrierend. Deshalb ist es ganz angenehm, einen Kumpel zu haben, mit dem ich reden und rumhängen kann.«
Einen Kumpel? Christian erschrak, sagte aber nichts. Erst mussten sie Freunde werden, dann ein Liebespaar, und dann konnte er mit der Wahrheit herausrücken und versuchen, sie dazu zu überreden, sich von ihm wandeln zu lassen und seine Lebensgefährtin zu werden. Das war der Plan, daran musste er sich halten.
»Aber schön ist es hier trotzdem«, fuhr sie fort. »Sogar nachts.«
»Ja, stimmt.« Er sah sich um und musste feststellen, dass dieses Resort wirklich sehr idyllisch gelegen war. Allerdings konnte sie mit ihrem Sehvermögen einer Sterblichen nur einen Bruchteil dessen wahrnehmen, was er sah. Er würde ihr die Gabe der Nachtsicht schenken können. Zu gern wollte er ihre Reaktion erleben, wenn sie die Welt mit den Augen einer Unsterblichen sehen konnte.
»Oh, gut. Die Bar ist noch geöffnet«, sagte Carolyn, als sie ein paar Minuten später das Hauptgebäude der Anlage durchquerten. Christian folgte ihrem Blick und sah, dass noch immer einige Gäste anwesend waren. »Ich will nur hoffen, dass niemand meine Handtasche genommen hat«, redete sie besorgt weiter. »Ich kann es noch immer nicht fassen, dass ich vergessen habe, sie mitzunehmen. Ich muss wohl irgendwie abgelenkt gewesen sein.«
Christian vermutete, dass diese »Ablenkung« auf ihr Bestreben zurückzuführen war, so schnell wie möglich die Flucht vor ihm zu ergreifen. Er war sich sicher, dass sie genau aus diesem Grund so schnell hatte aufbrechen wollen, nachdem sie von ihrem Strandspaziergang zurückgekehrt waren. Er wusste, er hatte sie mit der Frage nach ihrem Ehemann verärgert, aber erst als sie wieder bei den anderen am Tisch saßen, war ihm das ganze Ausmaß seiner unüberlegten Frage bewusst geworden. Auf dieses Thema durfte er so bald nicht noch einmal zu sprechen kommen.
»Verdammt, sie ist nicht da.«
Christian folgte Carolyns Blick zu dem Tisch, an dem sie heute Abend gesessen hatten. Dort saß nun ein Paar um die dreißig, die beiden lächelten sich an und küssten sich immer wieder, aber Carolyns Handtasche war nirgends zu sehen.
»Ah, die hübsche Lady!«
Unwillkürlich warf Christian dem Barkeeper einen finsteren Blick zu, als er dessen
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