Arm und Reich
entführen. Betrachtet werden soll der Zeitraum seit unserem Ursprung als Spezies bis vor rund 13 000 Jahren. Diese Jahrmillionen sollen nun auf weniger als 20 Seiten abgehandelt werden, was natürlich bedeutet, daß ich über Details hinweggehen und nur solche Entwicklungen thematisieren werde, die mir für den Gegenstand dieses Buches am bedeutsamsten erscheinen.
Unsere engsten lebenden Verwandten im Tierreich sind drei Arten von Menschenaffen: der Gorilla, der gewöhnliche Schimpanse und der Zwergschimpanse, auch Bonobo genannt. Die Tatsache, daß diese nur in Afrika vorkommen, läßt nebst einer Fülle fossiler Indizien darauf schließen, daß sich die Anfänge der menschlichen Evolution in Afrika abspielten. Dort begann die Geschichte des Menschen vor rund sieben Millionen Jahren (Schätzungen schwanken zwischen fünf und neun Millionen Jahren) als etwas Eigenständiges, von der Geschichte der Tiere Getrenntes. In jener Zeit spaltete sich eine Population afrikanischer Menschenaffen in mehrere Gruppen auf, von denen sich die eine im Laufe der Evolution zum heutigen Gorilla entwickelte, die zweite zu den beiden heutigen Schimpansenarten und die dritte zum Menschen. Offenbar erfolgte die Abspaltung der Ahnenlinie des Gorillas einige Zeit vor der Trennung der Menschen- von denen der Schimpansen-Ahnen.
Aus Fossilienfunden ergibt sich, daß die zum Menschen führende Abstammungslinie vor etwa vier Millionen Jahren weitgehend den aufrechten Gang erreicht hatte und vor rund zweieinhalb Millionen Jahren begann, an Körpergröße und relativem Hirnvolumen zuzunehmen. Diese Urmenschen werden als Australopithecus africanus, Homo habilis und Homo erectus klassifiziert, wobei die Evolution anscheinend in dieser Reihenfolge verlief. Während der Homo erectus , das vor rund 1 700 000 Jahren erreichte Stadium, dem heutigen Menschen in der Körpergröße ähnelte, war sein Gehirn noch nicht einmal halb so groß wie das unsere. Steinwerkzeuge erlangten vor rund zweieinhalb Millionen Jahren größere Verbreitung, waren aber noch äußerst primitiv und nur sehr grob aus Steinbrocken gehauen. Aus zoologischer Sicht war der Homo erectus eindeutig mehr als ein Affe, aber bis zum anatomisch modernen Menschen war es noch ein weiter Weg. – In den ersten fünf bis sechs Millionen Jahren, nachdem wir vor rund sieben Millionen Jahren auf den Plan traten, spielte sich unsere Geschichte ausschließlich auf dem afrikanischen Kontinent ab. Der erste unserer Urahnen, der auch außerhalb Afrikas Verbreitung fand, war der Homo erectus . Als Beleg hierfür dienen Fossilienfunde auf der Insel Java in Südostasien, die zu der gebräuchlichen Bezeichnung Java-Mensch führten (Abbildung 1.1). Der älteste Java-Mensch wird üblicherweise auf die Zeit vor rund 1 000 000 Jahren datiert. Nach neuen Erkenntnissen könnte das Alter der Fossilien jedoch sogar 1 800 000 Jahre betragen. (Genaugenommen ist die Bezeichnung Homo erectus den auf Java gefundenen Fossilien vorbehalten, während die afrikanischen Funde, die ebenfalls als Überreste des Homo erectus klassifiziert wurden, womöglich eine andere Bezeichnung rechtfertigen.) Die frühesten unumstrittenen Indizien für das Auftreten von Menschen in Europa sind unterdessen ca. eine halbe Million Jahre alt, wobei von manchen Wissenschaftlern auch eine frühere Präsenz behauptet wird. Man sollte natürlich meinen, daß die Besiedlung Asiens mit der Europas einherging, wo doch Eurasien eine zusammenhängende Landmasse ohne größere natürliche Hindernisse bildet.
Abbildung 1.1 Die Eroberung der Erde durch den Menschen
Hier stoßen wir auf ein Problem, das in diesem Buch wiederholt auftauchen wird. Immer wenn ein Wissenschaftler behauptet, »den, die oder das älteste/n X« entdeckt zu haben – wobei es sich um das älteste menschliche Fossil in Europa, die ersten Hinweise auf domestizierten Mais in Mexiko oder das älteste Irgendwas irgendwo auf der Welt han deln mag –, findet sich jemand, der alles daransetzt, etwas noch Älteres zu präsentieren. In Wirklichkeit muß es natürlich tatsächlich einen »ältesten X« geben, der alle Behauptungen eines noch früheren X Lügen straft. Wie wir sehen werden, bringt jedoch jedes Jahr für praktisch jeden X neue Entdeckungen und Behauptungen eines angeblich noch älteren X, verbunden mit der Widerlegung einiger oder sämtlicher »ältester-X«-Behauptungen des Vorjahres. Oft dauert
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