Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
anderen konnte keiner darauf eine Antwort geben.
Merlin erhob sich, so daß seine hochgewachsene Gestalt die Ratsversammlung überragte: »Wenn Ihr euch etwas wünscht«, erklärte er mit einfachen Worten, als wäre er unser Lehrer und wir seine Schüler, »müßt Ihr etwas dafür geben. Ihr müßt ein Opfer darbringen, etwas opfern. Das, was ich mir von allem auf der Welt am innigsten wünschte, war der Kessel, also bot ich mein Leben als Opfer dar, und mein Wunsch wurde mir erfüllt; hätte ich dafür aber nicht meine Seele geboten, wäre mir der Wunsch nicht gewährt worden. Wir müssen also etwas opfern.«
Meurig fühlte sich in seinem Christentum beleidigt und konnte der Versuchung nicht widerstehen, den Druiden zu reizen. »Euer Leben vielleicht, Lord Merlin? Das hat das letzte Mal doch auch geklappt.« Er lachte und forderte seine überlebenden Priester mit einem Blick auf, in sein Gelächter einzustimmen.
Aber das Lachen erstarb, als Merlin mit seinem schwarzen Stab auf den Prinzen wies. Er hielt den Stab ganz still, die Spitze nur wenige Zoll von Meurigs Gesicht entfernt, und hielt ihn so noch lange, nachdem das Lachen ganz verstummt war. Immer weiter hielt Merlin den Stab, bis sich das Schweigen ins Unerträgliche dehnte. Agricola, der das Gefühl hatte, seinem Prinzen helfen zu müssen, räusperte sich, aber ein kurzes Zucken des schwarzen Stabes erstickte jeden Protest. Meurig wand sich voll Unbehagen, schien aber kein Wort herausbringen zu können. Er errötete, zwinkerte nervös und zappelte. Arthur krauste die Stirn, äußerte sich jedoch nicht. Nimue lächelte voll Vorfreude auf das Schicksal des Prinzen, während wir anderen schweigend warteten und einige von uns vor Furcht erzitterten. Und noch immer rührte Merlin sich nicht, bis Meurig die Anspannug nicht mehr ertragen konnte.
»War doch nur ein Scherz!« Vor Verzweiflung schrie er es fast heraus. »Ich wollte Euch nicht kränken.«
»Habt Ihr etwas gesagt, Lord Prinz?« erkundigte sich Merlin interessiert. Er tat, als hätten ihn Meurigs angstvolle Worte aus einem Traum gerissen, und senkte den Stab. »Ich muß mit offenen Augen geträumt haben. Was sagte ich gerade? Ach ja, ein Opfer. Haben wir nicht etwas, was uns besonders kostbar ist, Arthur?«
Arthur überlegte ein paar Sekunden. »Wir haben Gold«, antwortete er, »Silber, meine Rüstung.«
»Tand«, gab Merlin geringschätzig zurück.
Eine Zeitlang herrschte Schweigen, dann meldeten sich Männer außerhalb des Kriegsrats zu Wort. Einige lösten Torques von ihrem Hals und schwenkten sie in der Luft. Andere erboten sich, ihre Waffen zu opfern, ein Mann rief sogar den Namen von Arthurs Schwert Excalibur. Von den Christen kam kein einziger Vorschlag, denn dies war ein heidnischer Vorgang. Sie hatten nichts weiter anzubieten als ihre Gebete; aber ein Mann aus Powys schlug vor, einen Christen zu opfern, und erntete dafür lauten Jubel. Meurig errötete abermals.
»Manchmal denke ich«, sagte Merlin, als keine Vorschläge mehr kamen, »daß ich dazu verdammt bin, unter Idioten zu leben. Ist denn die ganze Welt verrückt außer mir? Kann nicht ein einziger armer, blinder Narr unter Euch sehen, was ganz eindeutig das Kostbarste ist, das wir besitzen? Nicht einer?«
»Proviant«, sagte ich.
»Aha!« rief Merlin erfreut. »Gut gemacht, du armer, blinder Narr! Proviant, Ihr Idioten!« Er spie dem Rat die Beleidigung ins Gesicht. »Aelles Pläne fußten auf der Überzeugung, daß es uns an Proviant mangelt, also müssen wir ihm das Gegenteil beweisen. Wir müssen Proviant verschwenden, wie die Christen ihre Gebete verschwenden, müssen ihn bis in den leeren Himmel hinauf verstreuen, müssen ihn vergeuden, wegwerfen, müssen ihn« – er hielt inne, um auf das nun folgende Wort eine besondere Betonung zu legen – »opfern.«
Er wartete, ob sich eine Stimme des Protestes erheben würde, aber niemand äußerte ein Wort. »Sucht Euch hier in der Nähe einen Platz«, wandte Merlin sich an Arthur, »auf dem Ihr Aelle die Schlacht anbieten wollt. Zeigt Euch nicht zu stark, denn Ihr wollt ja nicht, daß er sich dem Kampf verweigert. Ihr müßt ihn in Versuchung führen, vergeßt das nicht, und Ihr müßt ihn glauben machen, daß er Euch besiegen kann. Wie lange wird er brauchen, seine Streitkräfte zur Schlacht zu sammeln?«
»Drei Tage«, antwortete Arthur. Er nahm an, daß Aelles Männer sich innerhalb des Ringes, der uns begleitete, weit verteilt hatten, und daß es die Sachsen mindestens zwei
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