Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
Kriegshörner hatten begonnen, ihre Herausforderung hinauszuschmettern, und nun stimmten unsere Männer ihre Gesänge an. An unserem Ende des Schildwalls sangen wir den großen Kriegsgesang von Beli Mawr, ein triumphierendes Schlachtgeheul, das Männern Feuer ins Herz senkt. Zwei meiner Männer tanzten vor dem Schildwall; sie hüpften und sprangen über ihre Schwerter und Speere, die kreuzweise auf dem Boden lagen. Ich rief sie in die Reihe zurück, denn ich dachte, die Sachsen würden geradenwegs den flachen Hügel empormarschieren und damit einen überstürzten blutigen Zusammenstoß auslösen. Statt dessen machten sie einhundert Schritt von uns entfernt halt und richteten ihre Schilde zu einer geschlossenen Mauer aus lederverstärktem Holz aus. Sie verstummten, während ihre Zauberer in unsere Richtung pißten. Ihre riesigen Hunde bellten und zerrten an ihren Leinen, die Kriegstrommeln dröhnten, und gelegentlich ließ ein Horn seine traurige Klage hören; davon abgesehen aber verhielten sich die Sachsen still und hämmerten lediglich im Takt der schweren Trommelschläge mit den Speerschäften auf ihre Schilde.
»Die ersten Sachsen, die ich sehe.« Tristan war neben mich getreten und beobachtete das Sachsenheer, die Männer mit ihren dicken Fellpanzern, ihren Doppeläxten, Hunden und Speeren.
»Auch die sterben schnell«, sagte ich zu ihm.
»Mir gefallen die Äxte nicht«, gestand er und berührte schnell den eisenbewehrten Rand seines Schildes.
»Sie sind sehr schwerfällig«, versuchte ich ihn zu beruhigen.
»Ein Hieb, und sie sind nicht mehr zu gebrauchen. Seht zu, daß
Ihr ihn mit dem Schild auffangt und dann tief mit dem Schwert zustoßt. Das funktioniert immer.« Oder fast immer. Das Trommeln der Sachsen brach plötzlich ab, die feindliche Schlachtreihe öffnete sich in der Mitte, als Aelle persönlich erschien. Er blieb dort mehrere Sekunden lang stehen und sah uns an. Dann spie er aus und warf demonstrativ Speer und Schild auf die Erde, um uns zu zeigen, daß er mit uns reden wolle. Gleich darauf kam er auf uns zu: ein mächtiger, hochgewachsener, dunkelhaariger Mann in einem dicken, schwarzen Bärenpelz. Zwei Zauberer begleiteten ihn zusammen mit einem mageren, fast kahlköpfigen Mann, den ich für den Dolmetscher hielt.
Cuneglas, Meurig, Agricola, Merlin und Sagramor gingen ihm entgegen. Arthur hatte beschlossen, bei seinen Reitern zu bleiben, und da Cuneglas der einzige König auf unserer Seite des Schlachtfeldes war, war es richtig, daß er für uns sprach; er aber forderte die anderen auf, ihn zu begleiten, und winkte mich als seinen Dolmetscher zu sich. So kam es, daß ich Aelle zum zweiten Mal begegnete. Er war ein hochgewachsener Mann mit breiter Brust, einem flachen, harten Gesicht und dunklen Augen. Sein Bart war voll und schwarz, seine Wangen waren zernarbt, die Nase gebrochen, und an der rechten Hand fehlten ihm zwei Finger. Er trug Kettenhemd, Lederstiefel und einen Eisenhelm, auf dem zwei Stierhörner befestigt waren. An seiner Kehle und an den Handgelenken glänzte britannisches Gold. Das Bärenfell, das seine Rüstung bedeckte, muß
fürchterlich unbequem gewesen sein an diesem heißen Tag, aber der dicke Pelz konnte einen Schwertstreich genausogut abhalten wie eine Eisenrüstung. Finster funkelte er mich an.
»Ich erinnere mich an dich, du Wurm«, sagte er. »Ein sächsischer Abtrünniger.«
Ich neigte flüchtig den Kopf. »Seid gegrüßt, Lord König.«
Er spie aus. »Glaubst du, nur weil du höflich bist, wird dein Tod leicht sein?«
»Mein Tod hat nichts mit Euch zu tun, Lord König«, entgegnete ich. »Aber ich werde meinen Enkeln von dem Euren erzählen können.«
Er lachte und warf einen spöttischen Blick auf die fünf Heerführer. »Ihr seid zu fünft und ich bin allein! Und wo ist Arthur? Entleert er seinen Darm vor Angst?«
Ich nannte Aelle die Namen unserer Führer, dann übernahm Cuneglas den Dialog, den ich für ihn übersetzte. Er begann, wie üblich, mit der Aufforderung an Aelle, sofort zu kapitulieren. Wir wollten Gnade walten lassen, erklärte Cuneglas. Wir würden Aelles Leben verlangen, all seine Schätze, all seine Waffen, all seine Frauen und all seine Sklaven, doch seinen Speerkämpfern würden wir freien Abzug gewähren – ohne ihre rechte Hand.
Aelle lächelte, wie üblich, höhnisch über diese Forderung und zeigte uns dabei einen Mund voll faulender, verfärbtet Zähne. »Glaubt Arthur«, fragte er, »nur weil er in seinem Versteck bleibt,
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