Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
unsere Mäntel, aber das Brot, das man daraus backen konnte, würde minderwertig und mit Staub und Zweigen durchsetzt sein. Schon vor dem Überfall hatten wir die Rationen gekürzt und errechnet, daß wir Proviant für etwa zwei weitere Wochen hatten. Da sich der größte Teil des Proviants in den hintersten Wagen befunden hatte, standen wir nun vor der Frage, ob wir den Marsch nach nur einer Woche abbrechen sollten; aber selbst dann hätten wir kaum genug Proviant übrig, um heil nach Calleva oder Caer Ambra zurückzukehren.
»Im Fluß gibt’s Fische«, sagte Meurig.
»O ihr Götter, nicht schon wieder Fische«, stöhnte Culhwch, der an die Entbehrungen während der letzten Tage von Ynys Trebes dachte.
»Die reichen bei weitem nicht, um ein ganzes Heer zu ernähren«, gab Arthur zornig zurück. Am liebsten hätte er Meurig angeschrien und seine Dummheit offengelegt, aber Meurig war ein Prinz, und Arthurs Gefühl für Anstand würde nie zulassen, daß er einen Prinzen demütigte. Wäre es Culhwch gewesen oder auch ich, der die Nachhut teilte und die Wagen der Gefahr preisgab, hätte Arthur die Beherrschung verloren, die hohe Geburt jedoch schützte Meurig vor seinem Zorn. Wir waren nördlich der Straße zu einem Kriegsrat zusammengekommen, an einer Stelle, wo sie schnurgerade über eine langweilige, grasbewachsene Ebene führte, auf der sich Baumgruppen, vereinzelte Stechginster-und
Weißdornbüsche erhoben. Alle Befehlshaber waren anwesend, während sich Dutzende von rangniederen Männern um uns drängten, um unseren Diskussionen zuzuhören. Meurig wies natürlich jegliche Schuld weit von sich. Hätte man ihm mehr Männer gegeben, behauptete er, wäre es nie dazu gekommen.
»Außerdem«, sagte er, »und vergebt mir, wenn ich Euch darauf hinweise – obwohl ich es für einen Punkt halte, der auf der Hand liegt und keinerlei Erklärung benötigt –, daß ein Heer, das Gott ignoriert, niemals den Sieg davontragen kann.«
»Und warum hat Gott dann uns ignoriert?« wollte Sagramor wissen.
Arthur beschwichtigte den Numidier. »Was geschehen ist, ist geschehen«, sagte er. »Wir müssen uns überlegen, was wir jetzt tun wollen.«
Aber das hing von Aelle ab, nicht von uns. Er hatte den ersten Sieg errungen, obwohl ihm das Ausmaß seines Triumphes möglicherweise nicht bewußt war. Wir waren meilenweit auf sein Gebiet vorgedrungen, und uns drohte der Hungertod, wenn wir sein Heer nicht in eine Falle locken, es überwältigen und dadurch in ein Gebiet ausbrechen konnten, dessen Vorräte noch nicht vernichtet worden waren. Unsere Späher brachten uns Rotwild, und gelegentlich stießen sie auf ein paar Rinder oder Schafe; aber derartige Delikatessen waren selten und reichten bei weitem nicht aus, um das verlorene Mehl und Dörrfleisch zu ersetzen.
»Er muß doch sicher London verteidigen, oder?« warf Cuneglas ein.
Sagramor schüttelte den Kopf. »In London leben lauter Britannier«, antwortete er. »Die Sachsen mögen dort nicht leben. Er wird uns London überlassen.«
»In London gibt es bestimmt Proviant«, meinte Cuneglas.
»Aber wie lange wird der reichen, Lord König?« fragte Arthur. »Und wenn wir ihn mitnehmen – was tun wir dann?
Wollen wir ewig einfach umherziehen und hoffen, daß Aelle angreifen wird?« Nachdenklich starrte er zu Boden; sein langes, schmales Gesicht war hart geworden. Aelles Taktik war jetzt nicht mehr zu verkennen: Der Sachse würde uns immer weitermarschieren lassen, seine Männer würden uns stets voraus sein, um alles Eßbare auf unserem Weg zu vernichten, und wenn wir geschwächt und entmutigt waren, würden die Sachsenhorden über uns herfallen. »Wir müssen ihn«, sagte Arthur schließlich, »zu uns heranlocken.«
Meurig blinzelte hektisch. »Und wie?« fragte er in einem Ton, der andeuten sollte, Arthur mache sich lächerlich. Die Druiden in unserer Begleitung, Merlin, Iorweth und zwei weitere aus Powys, saßen in einer Gruppe neben dem Rat und hörten zu. Merlin, der sich einen Ameisenhaufen zum Sitz erkoren hatte, forderte nun unsere Aufmerksamkeit, indem er seinen Druidenstab hob. »Was tut Ihr, wenn Ihr etwas Wertvolles begehrt?« fragte er sanft.
»Ich nehm’s mir«, antwortete Agravain grimmig. Agravain war der Befehlshaber von Arthurs Reitern und ermöglichte es Arthur dadurch, das gesamte Heer zu führen.
»Und wenn Ihr etwas Wertvolles von den Göttern begehrt«, ergänzte Merlin seine Frage, »was tut Ihr dann?«
Agravain zuckte die Achseln, und auch von uns
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