Asche und Phönix
nach ihnen war, aber beide konnten sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie er sie hier ausfindig machen sollte, in einer der größten Städte der Côte d’Azur.
Unweit eines Taxistands lenkte Parker den Wagen an den Straßenrand. Als er den Motor abstellte, sah Ash ihn fragend an. Einen Moment lang druckste er herum. »Hör mal«, begann er.
»Oh-oh.«
»Wenn er uns doch findet, wird Libatique versuchen, den Pakt mit mir zu schließen. Und solange er droht, dir etwas anzutun, hab ich keine andere Wahl, als mich darauf einzulassen. Ich würde niemals zulassen, dass dir etwas zustößt.«
»Du willst mich loswerden.«
»Um Wollen geht es doch gar nicht. Am liebsten würde ich mit dir irgendwohin, wo keiner uns kennt. Das will ich! Aber Libatique wird nicht einfach aufgeben, und er wird den Hebel immer wieder bei dir ansetzen.«
Sie sah nach vorn durch die Windschutzscheibe. »Okay.«
»Okay was?«
»Du hast mir die Chance gegeben, mich aus dem Staub zu machen. Ich bin bei dir geblieben. Damit wäre das geklärt.«
»Ash –«
»Können wir uns das nicht sparen? Das kann jetzt ewig so hin und her gehen, und am Ende bleibe ich doch sitzen, und wir müssen uns den Rest der Fahrt über anschweigen, weil keiner weiß, wie er das Eis brechen soll.«
»Setzt du irgendwann auch mal nicht deinen Kopf durch?«
»Manchmal schlafe ich.«
Parker lehnte sich gegen die Nackenstütze, ballte die Hände um das Steuer und schwieg. Erst nach einer Weile nickte er langsam, streckte den Arm nach ihr aus und ergriff ihre Hand. Seine Berührung elektrisierte sie und sie wünschte sich, dass sie endlich Zeit füreinander hätten. Es war absurd: Sie waren nun schon seit Tagen zu zweit unterwegs, hatten oft stundenlang keinen anderen Menschen gesehen, und doch hatte es sich nur zweimal so angefühlt, als würden sie um ihrer selbst willen Zeit miteinander verbringen. Erst auf dem Turm der Cale-Villa und dann gestern Abend in Le Mépris.
»Ich kann gar nicht fassen, dass das ausgerechnet von mir kommt«, sagte sie, »aber wir bringen das gemeinsam zu Ende. Keine Diskussionen mehr. Irgendwie schaffen wir das. Auf mich hat noch nie irgendwer Rücksicht genommen, und du solltest erst gar nicht damit anfangen.«
Er beugte sich herüber und küsste sie.
Als sich ihre Lippen voneinander lösten, sagte sie: »Die Sache fängt an, mich zu interessieren.«
»Ach?«
»Unabhängig vom fabelhaften Sex mit Phoenix Hawthorne, meine ich.«
»Gut, denn sonst wär das hier eine Dreiecksbeziehung.« Er gab ihr noch einen Kuss, sah sie dann lange an, schüttelte lächelnd den Kopf und zog sich auf die Fahrerseite zurück.
Sie erwiderte sein Lächeln. »Was?«
»Schon gut.«
»Sag nur ja nichts Romantisches!«
»Keine Sorge.«
»Das hier ist kompliziert genug, ohne dass einer von uns den Mond anheult.«
»Seh ich genauso.« Er startete den Wagen und steuerte ihn zurück auf die Fahrbahn.
Nach einer Weile gelangten sie wieder auf die Küstenstraße, die östlich von Nizza in weiten Kurven einen steilen Berg hinaufführte. Hinter der Kleinstadt Villefranche-sur-Mer bogen sie in eine enge Seitenstraße und folgten ihr in abenteuerlichen Serpentinen abwärts ans Wasser.
Unterwegs erzählte Parker, was er über diesen Ort wusste. Cap Ferrat war eine grüne Halbinsel, die zwischen Villefranche und Beaulieu ins Mittelmeer ragte. Darauf befanden sich einige der teuersten Villen Frankreichs. Früher hatten sich Charlie Chaplin, Gregory Peck und Edith Piaf hier einquartiert; ihnen waren weitere Stars gefolgt. Die Anwesen erhoben sich inmitten von Ginster, Myrte und Stechapfelbäumen, zwischen Eukalyptushainen und Pinienwäldern. Zitronen und Orangen dufteten unter Fenstern, aus denen die Prominenz hinab auf ihre Segeljachten blickte. Wer die Großstadt vermisste, konnte ins nahe Nizza fahren oder, nur ein paar Meilen die Küste hinauf, nach Monte Carlo, in das berühmteste Fürstentum der Welt.
Hierher also hatte es den legendären Musikproduzenten Kenneth Levi verschlagen. Es hatte Parker nur einen einzigen Anruf gekostet, um herauszufinden, wo Levi auf Cap Ferrat lebte. Nicht seine Adresse war geheim, sondern sein einstiges Doppelleben, sein nom de plume , unter dem er in den Sechzigerjahren obskure Zauberbücher veröffentlicht hatte. Ash erkundigte sich, ob sie in Royden Cales erstem Verlag erschienen waren. Parker war nicht sicher, hielt es aber für möglich.
Die Halbinsel war von einem Netz enger Sträßchen überzogen, eingefasst
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