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@ E.R.O.S.

@ E.R.O.S.

Titel: @ E.R.O.S. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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nicht mal darüber nachdenken. Aber ich weiß, daß es stimmt. Vielleicht habe ich es schon immer gewußt. Ruf mich nicht an, Harper. Ich meine es ernst. Versuche nicht, mit mir zu sprechen, und komm nicht zur Trauerfeier. Bleib ihr fern, wenn du noch irgendwelchen Respekt für mich übrig hast. Leb wohl.«
    Ich riß den Hörer hoch und rief: »Drewe! Warte!«, doch sie hatte schon aufgelegt, bevor ich die Worte über die Lippen bekam. Während ich wie ein Boxer blinzelte, der kurz vor dem K. o. stand, hörte ich draußen eine Hupe.
    Vom Fenster aus sah ich, wie ein weißer Streifenwagen auf unsere Auffahrt bog. Der Fahrer wendete, wobei er dreimal zurücksetzen mußte, und parkte dann mit der Schnauze zum Highway. Buckner mußte zum Schluß gekommen sein, mich auch tagsüber bewachen zu lassen.
    Nun liege ich auf Drewes Bett, das Gesicht in ihrem Kissen vergraben, und versuche wie ein liebeskranker Teenager, ihrenGeruch zu erfassen. Aber ich bin kein Teenager. Ich bin ein erwachsener Mann mit gebrochenem Herzen, der gegen seine eigene Regel verstoßen und die Wahrheit gesagt hat, nur um herauszufinden, daß dies entweder sehr töricht von ihm gewesen ist oder daß er sie zu spät gesagt hat.
    Die Erschöpfung beschwört seltsame Gedanken herauf. Ich habe einmal geglaubt, daß alle Menschen sich innerhalb einer bestimmten Bandbreite von Verhaltensweisen bewegen. Einige neigen zur Moralität, andere zur Zügellosigkeit oder sogar Amoralität, doch unter bestimmten Umständen verwischen die Grenzen. Ich nehme an, das ist eine weit verbreitete Vorstellung: Ohne Gottes Gnade oder das Schicksal oder den Zufall könnte jeder von uns in der Haut des anderen stecken. Doch während mein Gehirn nun immer langsamer tickt, wird es von den Bildern von Berkmanns Video attackiert, von denen keines monströser war als die Entweihung von Erins Leiche durch den grotesken Todeswalzer. Während ich in diesem halbwachen Zustand am Rande des Schlafs schwebe, wird mir klar, daß auf dieser Erde Geschöpfe wandeln, die die Körper von Menschen bewohnen, aber keine Menschen sind. Sie sind anders. Und irgendwo tief in mir, in den Zellen meines Blutes, pulsiert das reine Substrat präverbaler Erfahrung, das absorbierte und zum primitiven Instinkt verdichtete Stammesbewußtsein, das keine Stimme braucht, um mit alles verzehrender Macht zu sprechen: Was anders ist, muß vernichtet werden.

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    D
rewe hat mir aufgetragen, nicht zu Erins Trauerfeier zu gehen, aber nichts von der Beerdigung gesagt. Die Trauerfeier war um fünfzehn Uhr. Es ist fast halb fünf, als ich durch den schwarzen Eingang auf den Friedhof des Cairo County fahre, vorbei an dem langen Werkzeugschuppen, der von gelbenMinibaggern und einer Flotte verrosteter Rasenmäher umgeben ist. Das Büro des Friedhofsdirektors kommt mir wie der ideale Ort vor, den Explorer vor zufälligen Blicken zu schützen.
    Als ich zu dem kleinen Gebäude fahre, denke ich an Miles. Er hat an diesem Morgen angerufen, um mich über die Jagd auf Berkmanns Mordversteck auf dem laufenden zu halten. Baxters Leute haben die Gegend um den kleinen Flughafen in Connecticut abgesucht, aber Miles, der stets gern das Gegenteil von dem tut, was alle anderen tun, hat die Straßen von Harlem und Washington Heights durchkämmt und sich dabei in konzentrischen Halbkreisen vom Columbia Presbyterian Medical Center fortbewegt, das sich an den Hudson River schmiegt wie eine rettende Insel im Schmutz der elenden Massen.
    Ich stelle den Explorer hinter dem Büro des Direktors ab, nehme meinen Gitarrenkoffer vom Rücksitz und gehe langsam zum Familiengrab der Andersons. Es befindet sich hundert Meter vom Büro entfernt. Ich war oft mit Drewe dort. Fünf Generationen der Andersons ruhen in dieser Erde, von Kleinkindern, die an Diphtherie gestorben sind, bis hin zu Soldaten, die irgendeinen Krieg überlebt haben und zum Delta zurückgekehrt und dort an Altersschwäche gestorben sind. Heute wird es von dem grünen Pavillon des Bestattungsunternehmens Marsaw’s geprägt, das sich dort wie das Hauptquartier eines Generals inmitten eines Heers von Steinen erhebt. Aus dem Westen kommt die Invasionstruppe, eine anscheinend endlose Reihe langsam fahrender Autos, die von einer Vorhut aus mit dunklen Anzügen bekleideter Infanterie geleitet wird. Ich suche mir ein Mausoleum als vorübergehenden Schutz aus, ein dickwandiges Gebäude aus Marmor und Stein, das sich etwa sechzig Meter vom Beerdigungszelt entfernt befindet. Zwei steinerne

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