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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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ganzen Roman in fünf Teilbänden publizieren zu können. Wenig später spricht er aber schon von Sodome et Gomorrhe I , II , III , IV … Am liebsten hätte er alle Romanteile zwischen Le Côté de Guermantes und der Matinee bei der Fürstin von Guermantes in Le Temps retrouvé unter demselben – dem Inhalt auch durchaus angemessenen – Titel »Sodome et Gomorrhe« veröffentlicht. Bedauerlicherweise hat sich sein Verleger aber diesem Vorhaben mit Erfolg widersetzt. Im Juni 1922 steht zur Diskussion, den um Albertine kreisenden Romanteil, der jetzt auch im Typoskript vorliegt, in zwei Bände zu zerlegen, die mit La Prisonnière und La Fugitive betitelt werden könnten, und Proust fügt hinzu: mit den Untertiteln Sodome et Gomorrhe III oder Sodome et Gomorrhe III und IV . Doch dann erschien die Übersetzung eines Werks von Tagore mit dem Titel La Fugitive , was diesen Plan zunichte machte. In den letzten Wochen vor seinem Tod war Proust offenbar von der Idee besessen, den Albertine-Teil in einem einzigen Band herauszubringen. Er schickte zwar ein wenn auch nicht völlig überarbeitetes Typoskript der Gefangenen an Gallimard, arbeitete aber gleichzeitig an einer radikal verkürzten Fassung des folgenden Teils, den er mit Albertine disparue betitelte und möglicherweise mit La Prisonnière zu einem einzigen Band zusammenfassen wollte. Die editorischen Probleme, die sich aus diesem Plan ergeben, werden im Nachwort zum nächsten Band der Frankfurter Ausgabe, Die Flüchtige , zur Sprache kommen.
    Eines dieser Probleme muß allerdings schon im Zusammenhang mit der Gefangenen besprochen werden. In der Fassung der Reinschrift hält Marcel Albertine seit ihrer Bemerkung, sie kenne Mademoiselle Vinteuil und deren Freundin, für lesbisch. Erst nach dem Tod Albertines überzeugt ihn Andrée vom Gegenteil. In der späteren Fassung, jener der Zusätze und des verkürzten Typoskripts von Albertine disparue , verläuft der Prozeß in umgekehrter Richtung. Marcel glaubt Albertine, als sie versichert, sie habe mit ihrer Behauptung, Mademoiselle Vinteuil und deren Freundin zu kennen, nur aufschneiden wollen. Erst die Nachricht von dem tödlichen Reitunfall seiner Freundin am Ufer der Vivonne, also in der Nähe von Montjouvain,überzeugt ihn von der Richtigkeit seiner ursprünglichen Annahme. Beide Versionen stehen in dem Typoskript, das Proust Gallimard kurz vor seinem Tod überlassen hat, nebeneinander, was einige logische Widersprüche zur Folge hat. Robert Proust und Jacques Rivière haben denn auch versucht, durch Umstellungen (die wir in den Anmerkungen signalisieren) der Handlung eine gewisse Logik zu verleihen. Spätere Herausgeber haben es vorgezogen, den Text des Typoskripts so zu belassen, wie er ist, oder auch, was Albertine disparue betrifft, zwei verschiedene Fassungen zu publizieren. Ob sich Proust aber jemals für eine »logische« Abfolge entschieden hätte, bleibt eine offene Frage; denn was er mit dem Drama um Marcel und Albertine zeigen will, ist ja gerade die Unmöglichkeit, aus Gesagtem, ja selbst aus mit eigenen Augen Gesehenem zu erschließen, was wirklich geschehen ist. In beiden Versionen und ganz besonders in der von Proust hinterlassenen Mischversion werden Marcel und Albertine zu Beispielfiguren für die Zufälligkeit alles Gesagten und damit für die endlose Suche nach dem Sinn – auf den Autor bezogen, mit den Worten Rainer Warnings, für ein »Schreiben ohne Ende«.
    Neben dem Versuch, dem Geschehen um Albertine eine neue Wendung zu geben und den entsprechenden Teil der Recherche radikal zu verkürzen, arbeitete Proust während der letzten Wochen und Tage seines Lebens an zwei Vorabdrucken aus den unpublizierten Teilen seines Romans, »La regarder dormir. Mes réveils« ( La Nouvelle Revue française , November 1922) und »Précaution inutile« ( Les Œuvres libres , Februar 1923). Die letzten Stunden aber galten wiederum der Gefangenen . Wie Céleste Albaret berichtet, hat ihr Proust in der Nacht vor seinem Tod einige Sätze diktiert. Diese bewegenden Dokumente – von der Hand Célestes mit einigen Zusätzen Prousts – sind in Tadiés Biographie sowie in der neuen Pléiade-Ausgabe der Recherche wiedergegeben. Eines davon zeigt das moliereske Ballett der Ärzte in Bergottes Sterbezimmer; es lautet, leicht arrangiert: »Sie zeichneten sich ab vor einer Dekoration, furchterregend, schwarz – Die letzte Krankheit Bergottes, wegen der Bedeutung der Personen – Doch ihre Quadrillen näherten sich dem

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