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Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
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lassen.
    Vielleicht war es Glück, das mich zum alten Hafen führte, oder
etwas Tieferes, nämlich Eve, die mein Unbewusstes dirigierte. Ich ging am Hafenrand entlang, die Schultern hochgezogen wegen des Windes, und beobachtete die silberne Spiegelung des Mondes im Wasser. Im Lauf der vergangenen Wochen war es langsam wärmer geworden, aber die feuchte Luft drang einem noch immer beißend kalt bis auf die Knochen. So war der Frühling hier auf der Insel. Er zeigte sich in Form von Narzissen und längeren Tagen und ließ einen dennoch bis Juni den Winter nicht vergessen.
    Die Turmspitze auf dem National Hotel leuchtete in einem unheimlichen blassblauen Licht. Die vertäuten Boote im Dock knarrten und schlugen dumpf gegeneinander, als unterhielten sie sich. Allein, sagten sie, ich bin nass und leer und allein und mit Schlamm überzogen. Und da war Daddys Boot, Double Trouble stand in verblichener roter Schrift darauf. Double Trouble, nach seinen Zwillingen benannt. Die Caines hatten vorgeschlagen, das Boot zu verkaufen, was uns eine schöne Summe eingebracht und uns zudem die Liegegebühren erspart hätte. Aber wir brachten es nicht über uns. In gewisser Weise war es Daddys Grabstein. Und sein Mörder.
    Das Boot schwankte. Das war das Erste, was mir auffiel, seine Bewegung war heftiger als die des ruhigen Wassers. Ich ging näher darauf zu. Die Tür zur Kajüte war zu, aber der Riegel, mit dem sie gewöhnlich verschlossen war, war angehoben. Ich stieg an Deck und ging zu der Tür. Daddy hatte die Kajüte nie benutzt, die kleine Koje und das winzige Badezimmer mit Toilette und Dusche. Obwohl er kein Geld hatte, hatte er vor fünf Jahren aus einer Laune heraus dieses größere Boot gekauft, und obwohl nie jemand in dem Bett schlief oder sich in dem Bad duschte, hielten wir es alle für einen wahnsinnigen Luxus, für ein Zeichen, dass wir es irgendwie geschafft hatten.

    Und jetzt war sie nicht versperrt.
    Ich schlich mich heran, zog vorsichtig an der Tür und nahm allen Mut zusammen, um jeden zur Rede zu stellen, der es gewagt hatte, hier einzudringen. Ich spähte die dunkle Treppe hinab und sah Kerzenlicht auf den Planken flackern. Und dann sah ich sie.
    Ich wusste, dass sie es war, weil ich ihre L.-L.-Bean-Wind jacke sah. Daddy hatte uns diese Jacken ein Jahr zuvor gekauft, ihre war grünlich blau und meine rot. Und jetzt lag sie hier am Fußende des Bettes. Auf der nackten Matratze zwei Körper. Keuchen und Stöhnen. Feucht schimmernde Haut.
    Die Musik aus Ballard’s Bar unten an der Straße drang herüber, mexikanische oder spanische Klänge mit Kastagnetten und wildem Rhythmus, shake-a-shake Arriba! Sie ließen das Ganze fast komisch erscheinen, wie eine Szene aus einem Woody-Allen-Film.
    Ich duckte mich hinter die Tür und sah, zwischen Entsetzen und Faszination hin- und hergerissen, zu. Ich hörte Eve lachen, aber es war nicht ihr echtes Lachen, es war das Lachen, das wir benutzten, wenn Fremde die Hände zusammenschlugen und kreischten, weil wir uns so ähnlich sahen. Es war das Lachen, das sie angestimmt hatte, als ich ihr damals die Einzelheiten meiner Nächte mit Justin berichtete.
    Ihre Arme waren mit einem roten Seidenschal an die oberen Bettpfosten gefesselt. Und er lag auf ihr, dieser Mann mit dem dunklen Haar und dem hellgrauen Pullover, die Hose bis zu den Knien heruntergelassen. Während ich zusah, band er den Schal los, kroch ans Ende des Betts und küsste sie über den Bauch hinab. Eve warf stöhnend den Kopf zurück, und plötzlich, mit einem schwindelerregenden Ruck, sah ich mich selbst,
wie ich unter diesem Mann aussehen würde. Ihr Gesicht war wie meines, ebenso vor Schmerz verzerrt. Das Ganze war entsetzlich, krank und peinlich. Ich wollte mich abwenden, war aber zu keiner Bewegung fähig. Sie schlang die Beine um ihn, warf ihn mit einer Kraft, die mich erschreckte, herum und drückte ihn nieder.
    Und dann sah ich sein Gesicht. Ich sah es und starrte einen Moment lang wie betäubt vor Fassungslosigkeit darauf. Es war Ryan Maclean.
    Der Kongressabgeordnete Maclean, dessen Söhne wir gehütet, dessen Frau Bananenbrot zu Daddys Trauerfeier gebracht hatte. Mr. Maclean, der Abgeordnete von Rhode Island, Millionär, Ehemann und Vater von zwei Kindern. Und während sich mir die gespenstische Szene einprägte, ahnte ich tief in meinem Inneren, dass Eve an einem Abgrund stand, der für uns beide Vernichtung bedeuten würde.

VIER
    Taglilie

April 2007

18
    »Lass mich dich jetzt schieben, ja?« Meine

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