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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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außer Sicht und schleichen hierher, um das Licht zu löschen. Ist der Vorhang noch ungefähr so, wie er war, Annie, oder habe ich ihn verschoben, als ich die Scheibe zerschlug?»
    «Ich glaube, er ist noch ziemlich genauso, Madam.»
    Die Dekanin ging hinein und setzte sich. Harriet schloß die Tür und hielt ihr Auge an den Vorhangspalt. Dieser befand sich an der Angelseite der Tür und gab ihr freie Sicht auf das Fenster, die Enden der beiden Tische und die Stelle, wo die Tafel unter dem Fenster gestanden hatte. «Sehen Sie mal, Annie; war es so?»
    «Ja, Madam. Nur die Tafel stand da natürlich noch.»
    «So – dann tun Sie jetzt dasselbe wie vorhin. Sagen Sie zu Carrie, was Sie ihr da gesagt haben, und Sie, Carrie, stoßen an die Tür und schauen durch die Ritze, genau wie beim erstenmal.»
    «Ja, Madam. Ich hab gesagt: ‹Da ist sie! Wir haben sie.› Und dann bin ich zurückgesprungen – so.»
    «Ja, und ich habe gesagt: ‹O mein Gott! Laß mich mal sehen!› – Und dann hab ich Annie irgendwie angestoßen und bin an die Tür gekommen – so.»
    «Und ich habe gesagt: ‹Paß doch auf – jetzt ist es passiert.›»
    «Und ich hab gesagt: ‹Huh!› – oder so was, und hab hineingeguckt, aber nichts mehr gesehen –»
    «Können Sie jetzt jemanden sehen?»
    «Nein, Miss. Und wie ich noch versuchte, was zu sehen, ging plötzlich das Licht aus.»
    Das Licht ging aus.
    «Na, wie war’s?» fragte die Dekanin leise, den Mund an dem Loch in der Scheibe.
    «Erstklassig», sagte Harriet. «Auf die Sekunde genau.»
    «Sowie ich das Klopfen hörte, bin ich einfach nach rechts gesprungen und an der Wand entlanggeschlichen. Haben Sie mich gehört?»
    «Keinen Ton. Sie haben weiche Pantoffeln an, nicht?»
    «Die andere haben wir auch nicht gehört, Miss.»
    «Sie wird auch weiche Pantoffeln angehabt haben. Na ja, damit wäre das geklärt. Sehen wir uns jetzt am besten mal im College um, ob noch alles in Ordnung ist, und dann gehen wir wieder zu Bett. Sie beide können schon gehen, Carrie und Annie – Miss Martin und ich werden allein nach dem Rechten sehen.»
    «Gut, Miss. Komm, Annie. Aber ob ich jetzt noch schlafen kann, weiß ich wirklich nicht –»
    « Werdet ihr wohl mit diesem Lärm aufhören!»
    Eine entrüstete Stimme kündigte das Erscheinen einer bitterbösen Studentin im Pyjama an.
    «Denkt doch mal daran, daß andere Leute nachts schlafen wollen. Dieser Flur ist wirklich ein – O Verzeihung, Miss Martin. Ist irgend etwas los?»
    «Nichts, Miss Perry. Es tut mir leid, daß wir Sie gestört haben. Jemand hat das Licht im Hörsaal angelassen, und wir wollten nur mal nachsehen, ob alles in Ordnung ist.»
    Die Studentin verzog sich wieder, aber mit einer Kopibewegung, die deutlich sagte, was sie von der Sache hielt. Die beiden Hausmädchen gingen ihrer Wege. Die Dekanin wandte sich an Harriet.
    «Wozu dieses Theater mit der Rekonstruktion des Verbrechens?»
    «Ich wollte nur wissen, ob Annie wirklich sehen konnte, was sie gesehen haben will. Diese Leute lassen oft ihrer Phantasie die Zügel schießen. Wenn es Ihnen recht ist, verschließe ich jetzt diese Türen und nehme die Schlüssel mit. Ich würde gern noch eine zweite Meinung dazu hören.»
    «Aha!» sagte die Dekanin. «Dieser bezaubernde Gentleman, der mir mit dem Ruf: ‹ Vera incessu patuit dean! ›auf der St. Cross Road die Füße geküßt hat?»
    «Das klingt ganz nach ihm. Na ja, Sie haben aber auch hübsche Füße, Miss Martin, das ist mir schon aufgefallen.»
    «Sie wurden tatsächlich schon bewundert», antwortete die Dekanin selbstgefällig, «aber selten so in der Öffentlichkeit und nach kurzer Bekanntschaft. Ich habe zu Seiner Lordschaft gesagt: ‹Sie sind ein ausgesprochen alberner junger Mann.› Worauf er antwortete: ‹Ein Mann gewiß; und oft albern genug, um jung zu sein.› – ‹Na ja›, habe ich gesagt, ‹nun stehen Sie aber bitte auf. Sie können hier nicht jung sein.› Worauf er artig sagte: ‹Ich bitte um Verzeihung für mein marktschreierisches Benehmen; eine Entschuldigung habe ich nicht anzubieten, also werden Sie mir bitte vergeben?› Und da habe ich ihn zum Abendessen eingeladen.»
    Harriet schüttelte den Kopf.
    «Ich glaube, Sie haben eine Schwäche für blonde Haare und schlanke Figuren. Aus dem Mund des Schlanken klingt das nur komisch, beim Dicken ist es platte Unverschämtheit.»
    «Es könnte ausgesprochen unverschämt klingen, war aber in Wirklichkeit nicht so gemeint. Es würde mich sehr interessieren,

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