Augenblicklich ewig
den Eindruck erwecken, ich sei arbeitsscheu.«
Polly winkte ab. »Ich weiß. Also bleibst du noch?«
»Selbstverständlich begleite ich dich nach draußen.«
»Gerne.« Sie stand auf.
Sam steckte dem Kellner einen Geldschein zu und schüttelte den Kopf, als dieser nach seinem Portemonnaie griff. Er folgte Polly zum Ausgang und erreichte sie rechtzeitig, um ihr die Tür nach draußen aufzuhalten. Die Sommernacht war lau, ganz so, wie er es liebte.
»Darf ich dich nach Hause begleiten, Polly?«, erbot er sich.
»Sam, ich denke, es wäre nicht richtig, in Anbetracht der Tatsache, dass wir uns eben erst kennengelernt haben.«
Sam wurde verlegen, er war eindeutig zu weit gegangen.
Sie zuckte die Schultern und lächelte. »Aber ich habe nichts dagegen, wenn du mich begleitest.«
Sam verschluckte sich an der Entschuldigung, die er soeben für sein ungehobeltes Benehmen hatte vorbringen wollen, und hustete. Polly lachte und ging los. Mit ein paar großen Schritten war er an ihrer Seite und bot ihr seinen Arm. Sie sah zu ihm auf, nahm seinen Arm jedoch nicht an, sondern wich stattdessen einen kleinen Schritt zur Seite. Er wunderte sich, sagte aber nichts, obwohl er an diesem Angebot rein gar nichts Verwerfliches finden konnte. Immerhin hatte sie bereits eingewilligt, sich von ihm nach Hause bringen zu lassen.
»Wunderschön, oder? Der Sommerabend.«
»Ja, meinetwegen könnte der Sommer ewig dauern.«
»Eines Tages sollten wir in ein Land ziehen, in dem es keinen Winter gibt.« Pollys Stimme hatte wieder diesen selbstvergessenen Tonfall, der ihn mit in ihre Träume zu nehmen schien. Beinahe wäre ihm deshalb der kleine Hinweis entgangen.
»Wir?«
Sie blickte erschrocken zu ihm auf. »Sagte ich wir?«
Sam nickte. Polly war keine besonders gute Schauspielerin. Sie war offensichtlich überrascht, dass er ihren Fehler bemerkt hatte.
»Entschuldige, ich meinte damit natürlich nicht uns beide.« Sie schwenkte mit der Hand zwischen ihnen hin und her. »Es war nur eine Floskel, ganz allgemein, und hatte nichts zu bedeuten.« Sie schien verärgert. Sam wusste beim besten Willen nicht, worüber.
Seit die Straßenbahn ihren Betrieb eingestellt hatte, war es ruhig in den Straßen, wenn der Trubel des Tages verstummte. Sie gingen zu Fuß, schweigend, zwischen ihnen gut ein Meter Platz. Je länger Sam darüber nachdachte, desto eigenartiger erschien ihm die Situation. Er hatte sich amüsieren wollen, tanzen, vielleicht den einen oder anderen Kuss erhaschen. Und nun? Nun brachte er Polly nach Hause, die Berührungen zu meiden schien wie der Teufel das Weihwasser.
Polly wohnte in einer dieser Neubausiedlungen, die Kritiker gerne als Mietskaserne verschrien. Er selbst konnte an den Neubauten wenig Schlechtes finden. Die großen eckigen Gebäude entsprachen zwar nicht seinem Anspruch an Schönheit, aber sie schufen viel Wohnraum, der in Berlin immer noch dringend gebraucht wurde. Allerdings boten solch große Ansammlungen von Menschen allein lebenden Frauen wie Polly keinen Schutz vor Belästigungen, schoss es ihm durch den Kopf. Weshalb sorgte er sich um ihre Sicherheit?
An ihrer Haustür angekommen, zögerte sie kurz, bevor sie aufschloss. Dann blickte sie zu ihm auf und nahm ihn augenblicklich mit ihren Augen gefangen.
»Danke«, raunte sie.
»Es war mir ein Vergnügen.« Sam erwartete nicht, hereingebeten zu werden. Schon der bloße Gedanke daran, einen Fremden am Abend in die Wohnung zu bitten, war verwerflich. Dennoch wollte er noch nicht gehen.
»Jetzt weißt du, wo du mich findest. Vergiss das nicht.«
Sam blinzelte. Was wollte sie ihm damit sagen? Sollte er sie besuchen? Er nickte und streckte ihr die Hand zum Abschied entgegen. »Ich freue mich, dich kennengelernt zu haben.«
Sie ignorierte seine Hand und betrat den Hausflur.
»Ich bin froh, dass ich dich gefunden habe«, flüsterte sie, bevor die Tür sich hinter ihr schloss.
Sam blieb verwirrt zurück. Wer war diese Polly und warum verstand er kaum ein Wort von dem, was sie sagte, obwohl er jedes einzelne von ihnen klar und deutlich hörte? Er schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich würde er die Frauen nie vollkommen verstehen.
Im Haus seines Onkels angelangt, machte er sich schnell bettfertig. Es war inzwischen spät. Der Weg zu Polly war ein großer Umweg gewesen und er war müde. Er zog seinen Zweireiher aus, hängte ihn gemeinsam mit seinem Hemd über den Stuhl in seinem Schlafzimmer und legte sich sofort ins Bett.
Sam fühlte, wie der Kragen
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