Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
bedenken.
Sie erreicht die Organisatorin der Tagung, und eigentlich brauche ich jetzt gar nicht mehr nach Wien zu fahren: Tatsächlich ist vielen Bürgermeistern schlecht geworden, ein Arzt ist gerade unterwegs. Zweien von ihnen geht es gar nicht gut, einer von ihnen ist sogar bewusstlos.
Ich telefoniere mit Dr. Vislotschil, Billy versucht die Pilzfirma zu erreichen, um sie zu warnen. Dass so viel Pech auf einmal möglich ist.
Vesna ist über den Berg, sie bleibt zur Sicherheit die nächsten Stunden in der Ordination.
»Wir müssen trotzdem wissen, was genau los ist«, befindet Billy.
Ich rase in Rekordtempo zu meiner Lebensmittelchemikerin, bald habe ich das Ergebnis: Pilzgift, und zwar das des Fliegenpilzes. Den Steinpilzen wurde rund ein Drittel Fliegenpilz zugesetzt. Das fällt im Geschmack nicht besonders auf, kann aber zu ernsthaften Vergiftungserscheinungen führen.
An diesem Abend sperrt Billy tatsächlich ihr Lokal zu und schickt die Belegschaft heim. Bei Onkel Franz muss sie dabei fast Gewalt anwenden.
Wie nicht anders zu erwarten war, haben die ersten Reporter schon am Nachmittag angerufen und wollten Näheres über die neue Katastrophe wissen. Gegen Abend stellt sich heraus, dass alle bei der Pilzfirma verbliebenen Gläser mit der Pilzsauce vollkommen in Ordnung sind. Sicherheitshalber werden auch alle verkauften Gläser zurückbeordert.
Ich habe es gesehen: Billy hat bloß das Glas geöffnet, Olivenöl, Zitrone und Gewürze dazugetan.
»Das Glas war fest verschlossen, der typische Unterdruck am Schraubverschluss war da«, sagt Billy.
»Kann man den auch erzeugen, nachdem ein Glas schon einmal offen war?«
»Ja, das ginge«, erwidert Billy nachdenklich. »Man braucht das Glas eigentlich bloß zu erhitzen, verschließen und es wieder abkühlen lassen. Aber wer tut so etwas schon?«
Wenn ich darauf eine Antwort wüsste.
Als ich Vesna besuche, geht es ihr sichtlich besser. Ich frage den Arzt, ob man an diesem Pilzgift sterben kann.
»Hängt von der Dosis und dem Gesundheitszustand des Betreffenden ab«, erwidert er. »Ein gesunder Mensch muss schon einiges an vergifteter Sauce zu sich nehmen, um in ernsthafte Schwierigkeiten zu kommen.«
Einige der Bürgermeister haben Pilze nachbestellt. Wir haben ihnen die restliche Sauce in einer Schüssel serviert.
Vesna besteht darauf, mit mir zum Apfelbaum zu fahren. »Es geht mir gut genug, dort geht es schlecht.«
Gegen Abend rückt das Fernsehteam eines Privatsenders an. Ich versuche die Leute zu verscheuchen, sie filmen das Lokal von außen und seine Eingangstür, auf der HEUTE GESCHLOSSEN steht. Das Team ist hartnäckig, nur einer fährt – offenbar mit der Videokassette – weg, die anderen warten im Bus, falls Billy sich doch noch blicken lässt. Auch zwei Fotografen und drei Journalisten treffen ein. Belagerungszustand. Ich erreiche eine gute Freundin, die bei der größten Presseagentur des Landes arbeitet, und erzähle ihr, was tatsächlich geschehen ist. »Bitte gib so schnell wie möglich – natürlich ohne meinen Namen zu nennen – eine Meldung hinaus. Du hast recherchiert und schützt deine Informanten, okay?« Die Pilzfirma kann ich leider nicht aus der Sache heraushalten. Vielleicht haben sie so wenig Schuld an den Vergiftungen wie wir, aber das soll ruhig nachgeprüft werden. Jedenfalls hat ihr Lieferant die Pilzsauce gebracht.
Zuckerbrot ruft endlich zurück. Ich erkläre ihm, was passiert ist.
»Sieht aus, als ob die Anschläge weitergingen. Oder Ihre Freundin hat alles sehr geschickt geplant.«
Ich kann fast nicht mehr vor Empörung: »Selbst geplant, dass Gäste vergiftet werden? Ist sie geisteskrank?« Meine Stimme überschlägt sich.
»Man darf eben nichts außer Acht lassen, außerdem: Was ist wichtiger? Zufriedene Gäste oder von einem Mord abzulenken?«
»Das glauben Sie nicht …«
»Ich glaube gar nichts, es ist eine Möglichkeit, und jede Möglichkeit wird nachgeprüft.« Er will in ein, zwei Stunden ein Spezialteam vorbeischicken, das Spuren sichern und das noch vorhandene Glas mit der Pilzsauce mitnehmen wird.
Wir sitzen im verlassenen Schankraum an einem der massiven, aber sorgfältig geschliffenen Holztische und warten. Das Kamerateam lauert noch immer vor der Tür, die beiden Fotografen auch. Die Redakteure sind wieder abgezogen. Offenbar hat die Agenturmeldung etwas genützt.
Niemand von uns redet darüber, wie es weitergehen soll. Was morgen sein wird, übermorgen.
Billy telefoniert ausführlich und ganz
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