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Ausser Dienst - Eine Bilanz

Titel: Ausser Dienst - Eine Bilanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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Marktes von einander feindlich gesinnten Monopolen regiert. Mächtige monopolistische Arbeitgeberverbände und mächtige monopolistische Gewerkschaften entscheiden über Manteltarife und Lohntarife, und zwar ohne viel Rücksicht auf die Folgen für Gesellschaft und Staat. Wohl aber macht der Staat durch die von ihm verordnete »Allgemeinverbindlichkeit« beide Pole de facto zu Zwangskartellen (die durch Gesetz erzwungene Mitgliedschaft in handwerklichen Innungen, welche zugleich Tarifpartner sind – aus dem deutschen Mittelalter überkommen – ist die reinste Form eines Zwangskartells). Tarifautonomie – das heißt: Nichteinmischung des Staates in die Lohnfindung–, ist eine gute Sache. In Deutschland handelt es sich jedoch um die Autonomie von staatlich privilegierten privaten Bürokratien der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften.
    Nur eine weitreichende Deregulierung des Arbeitsmarktes kann Abhilfe schaffen. Weitere und unvermeidlich schmerzhafte Veränderungen bleiben notwendig. Geschäftsleitungen und Betriebsräte müssen das Recht zur Vereinbarung von Arbeitszeiten und Löhnen erhalten. Die gesetzliche Allgemeinverbindlichkeit von Tarifen, die zwischen privaten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkartellen geschlossen werden, muß beseitigt werden. Die Kündigungsschutzgesetzgebung ist weiter einzuschränken. Ein gesunder Arbeitsloser, der einen ihm nachgewiesenen Arbeitsplatz nicht annimmt, sollte einen Teil seines Arbeitslosengeldes verlieren. Das Arbeitslosengeld II darf über mehrere Jahre nicht weiter angehoben werden, bis ein gehöriger Abstand zu den geringsten Löhnen erreicht wird, so daß ein Anreiz zur Annahme eines Arbeitsplatzes entsteht.
    Keiner dieser Schritte wird populär sein. Sie waren bereits in den neunziger Jahren unpopulär, als ich sie zum ersten Mal erläutert habe. Manche Gewerkschaft, aber auch die Extremisten links und rechts werden Sturm laufen. Die Macht einiger Gewerkschaften und einiger der großen Arbeitgeberverbände ist heute allzu groß geworden. Sie haben gemeinsam allzu viele Ältere in die Frühverrentung geschickt, das heißt deren Unterhalt dem Staat überlassen. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände haben gemeinsam ihre Macht mißbraucht, zum Teil zu Lasten der Beschäftigung und zum Teil zu Lasten der Steuerzahler. Allerdings hat der Gesetzgeber ihnen diesen Mißbrauch ausdrücklich ermöglicht.
    Es wird besonders der Sozialdemokratie, aber auch den Sozialausschüssen der Unionsparteien sehr schwer fallen, den deutschen Arbeitsmarkt aufzulockern und ihn von schädlichen staatlichen Vorschriften zu befreien. Wer jedoch an allen vermeintlichen Errungenschaften unserer Arbeitsgesetzgebung festhält, hält im Ergebnis an einer zu hohen Arbeitslosigkeit fest. Wer zusätzlich einen zu hohen gesetzlichen Mindestlohn einführt, der drängt Arbeitgeber zur Einsparung von Arbeitsplätzen. Denn industrielle Arbeitgeber können zusätzlich Teilfertigungen in einen anderen Staat verlagern, in dem ein niedrigeres Lohnniveau herrscht. Und Arbeitgeber, deren Arbeitnehmer nicht in der Produktion, sondern mit Dienstleistungen beschäftigt sind, die nicht ins Ausland verlagert werden können, werden dazu verleitet, Arbeitnehmer in steuer- und beitragsfreie Schwarzarbeit abzudrängen; dies gilt vor allem für häusliche und landwirtschaftliche Arbeitnehmer und insgesamt für Niedriglohngruppen. Deshalb darf ein staatlich vorgeschriebener Mindestlohn einerseits nicht so hoch sein, daß er zusätzliche Arbeitsverlagerung ins Ausland und zusätzliche Schwarzarbeit verursacht und somit die Zahl der im Inland verfügbaren regulären Arbeitsplätze mindert. Andererseits müßte der Mindestlohn aber deutlich über den Leistungen der Sozialfürsorge liegen, damit kein Arbeitnehmer verführt wird, auf einen regulären Arbeitsplatz zu verzichten, weil er dank der Fürsorge, verbunden mit ein wenig Schwarzarbeit, genausogut leben kann. Das Prinzip des Mindestlohns, das auf den ersten Blick einfach und verführerisch aussieht, ist bei näherer Betrachtung also nicht ohne Probleme. Es funktioniert relativ wirksam in Staaten, in denen der Arbeitsmarkt ansonsten weitgehend unreguliert ist.
    Ein Sonderfall der Arbeitslosigkeit liegt in den sechs östlichen Bundesländern vor. Dort sind die Arbeitslosigkeitsraten seit Mitte der neunziger Jahre unverändert doppelt so hoch wie im Westen Deutschlands. Der enorme Transfer öffentlicher Gelder von West nach Ost beläuft sich jedes Jahr auf rund 80

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