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Avalon 08 - Die Nebel von Avalon

Titel: Avalon 08 - Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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ihre und dann in Ravens Hände. Morgaine biß in eine scharfe, bittere, holzähnliche Substanz und zwang sich zu schlucken, obwohl ihr mittlerweile übel wurde. Schweigen senkte sich herab. Augen glänzten in der Dunkelheit. Sie glaubte, von unzähligen Menschen umgeben auf dem Berg zu stehen, konnte aber kein einziges Gesicht erkennen. Die Dunkelheit hatte selbst Vivianes entkörpertes Gesicht verschluckt. Morgaine spürte die Wärme von Ravens Körper, obwohl sich beide nicht berührten.
    Sie versuchte, alle Gedanken anzuhalten und in sich zu gehen. Sie fiel in das geübte Schweigen und wußte nicht mehr, warum man sie hierher gebracht hatte.
    Zeit verging. Die Sterne strahlten heller am dunklen Himmel.
Zeit,
dachte Morgaine,
die Zeit vergeht anders in Avalon. Vielleicht gibt es keine Zeit.
Während der langen Jahre war sie in vielen Nächten den spiralförmigen Weg zum Gipfel des Berges hinaufgegangen, um dem Mysterium von Zeit und Raum im Kreis der Steine nachzuspüren. Doch der Abend heute schien seltsamer, dunkler, irgendwie geheimnisvoller zu sein. Noch nie hatte man sie unter allen Priesterinnen ausgewählt, um das wichtigste Amt bei der Zeremonie zu übernehmen.
    Sie wußte, man hatte ihr die magische Speise gereicht – ein Kraut, um das Gesicht zu rufen, ohne ihm aber etwas von seiner Macht oder seiner Magie zu nehmen. Nach einiger Zeit begann sie, vor ihrem geistigen Auge Bilder zu sehen – kleine bunte Bilder in weiter Ferne. Sie sah ein fliehendes Rudel Hirsche. Sie sah wieder die große Dunkelheit, die sich über das Land senkte, als die Sonne verlosch. Sie sah, wie sich ein kalter Wind erhob, und sie fürchtete, die Erde würde untergehen. Sie sah die Priesterinnen sich alle im Hof versammeln, und die älteren erklärten ihr, der Mondgott verdunkle die Strahlen der Göttin. Morgaine rannte fröhlich mit ihnen nach draußen und stimmte in die Schreie der Frauen ein, um den Gott zu vertreiben. Später hatte man ihr den Lauf von Sonne und Mond erklärt und weshalb hin und wieder eines der Gestirne vor das Gesicht des anderen trat. Sie begriff, daß es sich um Naturgesetze handelte. Die Gesichter der Götter, an die das Volk glaubte, waren Zeichen, die die Menschen brauchten, um sich dem jeweiligen Stand ihrer Entwicklung entsprechend die Großen Wahrheiten vorstellen zu können. Eines Tages würden alle Frauen und Männer die Innere Wahrheit erkennen; zur Zeit noch nicht. Mit ihrem inneren Auge sah Morgaine, wie der Jahreslauf wieder und wieder um den großen Ring der Steine kreiste. Sie sah die Geburt, die Reife und schließlich den Tod des Gottes. Sie sah die großen Prozessionen, die sich den spiralförmigen Weg zu dem Eichenhain hinaufwanden, noch ehe die Ringsteine hier oben standen … die Zeit wurde durchsichtig und verlor an Bedeutung. Das Kleine bemalte Volk tauchte auf, gelangte zur Reife und wurde niedergemäht. Dann kamen die Stämme, nach ihnen die Römer und große Fremde von der Küste Galliens, und nach ihnen… die Zeit löste sich auf, und sie sah nur noch die Bewegungen der Völker. Die Erde bevölkerte sich, das Eis kam, wich zurück und kam wieder. Sie sah die großen Tempel von Atlantis, die nun für immer im Meer versunken waren. Sie sah neue Welten sich erheben und versinken … Schweigen, und jenseits der Nacht kreisten und drehten sich die großen Sterne…
    Hinter sich hörte Morgaine einen unheimlichen Schrei, und ihr wurde eisig. Raven klagte! Raven, deren Stimme sie nie gehört hatte; Raven, die einmal beim gemeinsamen Dienst im Tempel schnellhändig eine überfließende brennende Lampe vor dem Umfallen bewahrt und sich am heißen Öl verbrannt hatte. Als man ihre Wunden verband, erstickte sie mit beiden Händen ihre Schmerzensschreie, um ihr Gelübde nicht zu brechen. Denn sie hatte ihre Stimme der Göttin geweiht. Sie würde ihr Leben lang die Narben tragen, und mit einem Blick darauf hatte Morgaine einmal gedacht:
Dagegen bedeutet mein Schwur fast nichts. Trotzdem stand ich dicht davor, ihn wegen eines dunklen Mannes mit einer betörenden Stimme zu brechen.
Und jetzt in der mondlosen Nacht schrie Raven aus Leibeskräften! Es war ein hoher, geisterhafter Laut, wie eine Frau im Kindbett ihn ausstößt.
    Dreimal hallte die schrille Klage über den Berg. Morgaine zitterte wieder. Sie wußte, selbst die Christenpriester auf der anderen Insel, die an derselben Stelle lag, würden in ihren einsamen Zellen aufschrecken und sich bekreuzigen, wenn sie diesen quälenden Schrei

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