Babylon: Thriller
einem Kriegsgebiet, und Sie wollen mit der lächerlichen Geschichte durchkommen, Sie hätten die Absicht, Teppiche zu kaufen?«
»Ob die Geschichte lächerlich ist oder nicht, sollten Sie ruhig mir überlassen.« Ward unterband alle weiteren Diskussionen, indem er zum Ausgang ging. Ich folgte ihm mit Lazarus als wachsamer Nachhut.
Von Shim oder den Piloten war nichts zu sehen. Wie ich angenommen hatte, befanden wir uns in einem Hangar und wurden lediglich von Eris erwartet. Sie war blass und sichtlich erschöpft. Ihr platinblondes Haar war strähnig und zerzaust. Dunkle Ringe lagen um ihre Augen. Hatte Ward sie vielleicht wegen ihrer Fehler zusammengestaucht? Oder meldete sich bei ihr nach allem so etwas wie ein Gewissen? Vielleicht perlte es doch nicht so leicht an ihr ab, anderen Leuten Schaden zuzufügen.
Eine schwarze Mercedes-Limousine parkte vor dem Hangar. Aber das war es nicht, was mich abrupt stehen bleiben ließ. In nicht allzu weiter Entfernung ragte ein helles, modernes Gebäude auf, umgeben von Passagierschleusen ähnlich den Speichen eines Rades, an deren Enden Passagiermaschinen internationaler Fluggesellschaften standen. Nicht ein einziges Militärfahrzeug war zu sehen. Ehe Eris oder Lazarus mich daran hindern konnten, packte ich Wards Schulter und riss ihn zu mir herum. »Das ist ganz bestimmt nicht Bagdad. Wo sind wir?«
Er lachte spöttisch. »Auf dem Atatürk International Airport. Willkommen in Ihrer Heimat, Madison.«
Achtundzwanzig
»Wir sollten doch nach Bagdad fliegen und die Adresse aufsuchen, die ich Ihnen gab.«
»Beklagen Sie sich etwa über einen Besuch in Ihrem Geburtsland?«
Lazarus quittierte Wards Bemerkung mit einem Kichern. Ich riet ihm, sich sein Lachen wer weiß wo hinzustecken. Dann fragte ich Ward: »Was soll das?«
»Nur ein kurzer Umweg«, erwiderte er. »Genießen Sie es.«
Die Zollabfertigung erfolgte glatt und ohne Zwischenfälle. Ich spielte mit, wie man es von mir erwartete, weil ich immer noch Laurels vor Angst zitternde Stimme im Ohr hatte. Außerdem bezweifelte ich nicht, dass Eris fähig war, das Schlangengift jederzeit einzusetzen. Ich musste die richtige Gelegenheit und irgendeine Möglichkeit finden, mich zu versichern, dass Laurel keine Gefahr drohte, ehe ich einen Fluchtversuch unternahm. Das hieß, dass ich warten musste, bis sie durch irgendetwas abgelenkt wurden oder ich mit einem von ihnen alleine war.
Laut Flughafenuhr waren wir um 22:00 Uhr gelandet. Als wir durch die Nacht fuhren, konnte ich von der Stadt nur wenig sehen. Ich glaubte immerhin, einen Blick auf die Kuppel und die eleganten Minarette der prachtvollen Blauen Moschee, eines der Wahrzeichen Istanbuls, zu erhaschen, aber das konnte genauso gut Einbildung gewesen sein.
Zwei Wochen vor meinem neunten Geburtstag hatte Samuel mir geschrieben, dass er seinen Arbeitsplatz in Mosul verlassen wollte, um ein paar Wochen in der Türkei zu verbringen. Ich bettelte ihn an, ihn dabei begleiten zu dürfen. Evelyn warnte mich, meine Hoffnungen nicht allzu hochzuschrauben, aber zu unser beider Überraschung sagte er ja, ich könne kommen. Sie kaufte mir ein Buch mit Bildern der Türkei, und ich las es immer wieder, bis ich den gesamten Text auswendig hersagen konnte. Ich erinnere mich noch an das Bild von den grünen Tümpeln von Hierapolis und den römischen Säulen aus weißem Marmor, die man dicht unter der Wasseroberfläche der Tümpel wie Wassergeister aus einer längst vergessenen Zeit erkennen kann. Wenige Tage bevor ich fliegen sollte, telegraphierte Samuel, seine Pläne hätten sich geändert. Ich kam mir vor, als hätte mir jemand eine Tür vor der Nase zugeschlagen. Ich brauchte Monate, um mich von dieser Enttäuschung zu erholen.
Diese Erfahrung war im Wesentlichen für mein danach kaum noch vorhandenes Interesse an meinem Geburtsort verantwortlich. Von da an war er nicht mehr als ein Eintrag in meinen amerikanischen Einbürgerungsdokumenten. Hinzu kam als bitterer Nachgeschmack die Geschichte, die man mir irgendwann später erzählte, nämlich dass meine Angehörigen nichts von mir wissen wollten. Daher überraschte mich das Gefühl des Stolzes, das mich erfüllte, als ich Istanbul zum ersten Mal mit eigenen Augen sah, wenn auch nur als verschwommenes Stadtpanorama durch die Fenster eines fahrenden Automobils. Und nun wurde meine erste Wiedervereinigung mit dem Land meiner Vorfahren durch brutale Begleitumstände überschattet.
Der Mercedes stoppte schließlich vor einem ungewöhnlich
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