Back to Blood
aussehende, hyperverdünnte Orangeade denken, als er und John Smith vor dem Honey Pot standen. Ungesund? Ungesund sah auch John Smiths helles weißes Gesicht aus, in das er gerade schaute. Unangenehm für John Smith … aber das Ganze hatte auch eine unangenehme Wirkung auf Nestors Nerven. Was zum Teufel wusste er schon über Striplokale? Im Stadtgebiet von Miami gab es 143 davon — es war eine verdammte Industrie! — aber Nestor Camacho hatte nie auch nur eins von innen gesehen. Die ganze Fahrt hatte er John Smith mit Polizeigeschichten über diese schmuddeligen Bunker unterhalten. Schade, dass es nicht seine Geschichten waren, weil nämlich dadurch der Eindruck entstanden war, dass er diese Form der Lasterhöhle in- und auswendig kannte. Eitelkeit! Eitelkeit! ::::::Ein echter Cop, der sich nicht in der Stripperszene auskannte? Also wirklich! :::::: Wenn alle Stricke rissen, dann konnte er sich vielleicht irgendwie durchmogeln … Schließlich hatte John Smith von Anfang an zugegeben, dass er noch nie in so einem Etablissement gewesen war.
Sie standen jetzt also vor dem Honey Pot und diskutierten über ihre Taktik. »Wir sind nicht hier, um uns den ganzen Scheiß anzuschauen, der da drin abgeht, okay?«, sagte Nestor. Ganz geschäftsmäßig. Der Boss spricht. »Wir sind hier, weil wir einen Russen suchen, der Igor Drukowitsch heißt und einen Riesenschnauzbart hat.« Er hielt sich die Zeigefinger und Daumen unter die Nase und schwang sie bis zu den Ohren. »Wir durchsuchen den Laden nach Igor Drukowitsch, das ist alles. Keine Ablenkungen gestattet. Alles klar?«
John Smith nickte und sagte dann, »Sind Sie sicher, dass Sie deswegen keine Schwierigkeiten bekommen? ›Vom Dienst suspendiert‹ heißt doch wohl, dass Sie keine polizeilichen Ermittlungen durchführen dürfen, oder?«
Erst dachte Nestor, dass John Smith kalte Füße bekäme, jetzt, da sie … in diesem verwirrend orangeadegelben Halbdunkel … tatsächlich vor dem Striplokal standen … Wenn er, Nestor, in letzter Sekunde einen Rückzieher machte, dann würde das ihm, John Smith, die Schmach ersparen, es selbst zu tun.
»Das sind keine polizeilichen Ermittlungen«, sagte Nestor. »Ich werde niemandem meine Dienstmarke unter die Nase halten. Außerdem haben sie mir die sowieso abgenommen.«
»Aber Sie stehen doch … unter Hausarrest, oder?«
»Von acht Uhr morgens bis sechs Uhr abends, ja, danach kann ich machen, was ich will.«
»Und das hier, das wollen Sie jetzt?«
»Ich habe doch gesagt, ich will Ihnen bei Ihrer Geschichte mit Koroljow helfen. Also, da sind wir. Wenigstens haben wir das hier.« Aus einer Jackentasche zog er eine laminierte Kopie des Fotos, das er über das Brothernet von der Polizei in Miami-Dade bekommen hatte: Igor neben Koroljow in dessen Wagen. »Wenigstens wissen wir, wie der Bursche aussieht und dass die beiden sich kennen. Das ist kein schlechter Anfang.« Der Eingang des Honey Pot war eine einfache Metallschiebetür, die locker fünf Meter breit war und aussah, als stammte sie noch aus den Zeiten, bevor das Honey Pot in die Lagerhalle eingezogen war. Direkt dahinter befand sich eine Glaswand mit zwei Glastüren, die in einen Raum führten, der wie das Foyer eines Kinos aussah.
In dem Augenblick, als der Boss und sein orangeadegesichtiger Schüler ins Innere traten, bohrte sich ein hämmerndes BEAT - onngh klong BEAT - onngh klong BEAT - onngh klong BEAT - onngh klong in ihr zentrales Nervensystem. Es war kein schneller Beat und auch nicht fürchterlich laut, aber unerbittlich. Er blieb immer gleich und ging immer so weiter BEAT - onngh klong BEAT - onngh klong. Irgendwo musste es auch noch eine Melodie dazu geben, aber davon konnte man in dem kleinen eingemauerten Kabuff, das als Kassenraum diente, nichts hören. Hinter einem geschwungenen Tresen stand ein dick bäuchiger weißer Mann in den Vierzigern, der ein weißes Polo shirt trug, das orangefarbene Honey-Pot-Logo auf die Brusttasche gestickt. Er war der Kassierer. John Smith gab ihm vierzig Dollar für beide. Der Mann mühte sich nach Kräften um Jovialität. Er lächelte und sagte, »Amüsiert euch, Jungs!« Das Lächeln sah hinterhältig aus, wie ein an den Mundwinkeln hochgezogener Strich. Nestor stieß die Tür zum eigentlichen Club auf … BEAT - onngh klong BEAT - onngh klong BEAT - onngh klong … und tatsächlich, unter dem BEAT war auch noch Musik zu hören, Musik vom Band. Gerade sang ein Mädchen mit einer Teenagerstimme, »I’m takin’ you to
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