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Back to Blood

Back to Blood

Titel: Back to Blood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolfe
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umgedreht, um ungestört sprechen zu können. Das Einzige, was Nestor deutlich verstehen konnte, war, »Sitzt du? Bist du bereit? … einer von der Umwelt ist da!«
    Lil drehte sich wieder zu ihnen um und klappte ihr Handy zu. »Sie kommt hoch«, sagte sie zu John Smith. »Sie kann es nicht fassen, dass sie tatsächlich jemanden geschickt haben.«
    Keine Minute später tauchte eine große, knochendürre alte Frau auf — Phyllis. Mürrisch schaute sie John Smith und Nestor an. Lil stellte sie vor. Gott sei Dank wusste Lil noch Nestors Nachnamen, »Carbonell«, er selbst hatte ihn schon wieder vergessen. Phyllis’ düstere Miene wich einem verächtlich vernichtenden Lächeln.
    »Hat ja nur drei Monate gedauert, bis Sie sich herbequemt haben«, sagte sie. »Aber vielleicht versteht ihr Beamtenfritzen das ja unter schnell.« John Smith schloss die Augen, verzog seine Lippen zu einer lauen Grimasse und begann zustimmend zu nicken, als wollte er ihr sagen, Stimmt schon, leider muss ich zugeben, dass ich ganz genau weiß, was Sie meinen. Dann machte er die Augen wieder auf, schaute sie mit zutiefst aufrichtigem Blick an und sagte, »Aber wenn wir erst mal da sind, dann … sind … wir da! Verstehen Sie?«
    Nestor wand sich innerlich und dachte ::::::Das ist doch nicht zu glauben. :::::: Er verstand jetzt, was man als Zeitungsreporter können musste: ausweichend daherschwafeln und aus tiefstem Herzen lügen.
    Jedenfalls musste er die beinharte Phyllis so zumindest ein bisschen erweicht haben, denn in ihrem Gesicht spiegelte sich nur noch milde Verachtung, als sie den Schlüssel aus der Tasche zog und die Apartmenttür öffnete.
    Vor ihnen lag die Küche, eine kleine verdreckte Küche. Im Spülbecken türmten sich Geschirr und billig aussehende, mit Essensresten verklebte Messer, Gabeln und Löffel von mindestens einer Woche. Auf der Küchenablage links und rechts von dem Becken und auf dem Boden verteilten sich undefinierbare Flecken, Klumpen und Lachen von mindestens einer Woche. Ein Blechmülleimer war so mit glücklicherweise schon eingetrockneten Abfällen von mindestens einer Woche vollgestopft, dass der Deckel halb offen stand. Die Wohnung war so verdreckt, dass Nestor den durchdringenden Terpentingeruch als reinigend wahrnahm.
    Phyllis führte sie durch die Küche in einen Raum, der zweifellos als Wohnzimmer gedacht war. Vor den Glasschiebetüren in der gegenüberliegenden Wand stand eine große, antik aussehende Staffelei aus dunklem Holz. Daneben eine lange Werkbank, auf der an jeder Seite ein metallenes Schubladenelement stand. Auf der mit Tuben, Lappen und allem möglichen anderen Kram übersäten Arbeitsplatte stand eine Reihe Kaffeedosen, aus der die langen, schlanken Griffe von Farbpinseln herausschauten. Auf dem Boden unter der Staffelei und der Werkbank lag eine mit Farbklecksen besprenkelte, etwa zwei mal zwei Meter große Plastikplane. Das war der einzige Fußbodenbelag im Zimmer. Der Rest war nacktes Holz … dem man schon lange keine Pflege mehr hatte angedeihen lassen. Die in nicht erkennbarer Ordnung an einer der Wände aufgeschichteten Kartons und Malerwerkzeuge … die Leinwandrollen … die langen und breiten, aber höchstens zehn Zentimter hohen Schachteln … für gerahmte Bilder, wie Nestor vermutete … der Diaprojektor auf einem kleinen, etwa einen Meter hohen Metallgestell … der Luftentfeuchter … und weitere Kisten und Dosen … ließen die Wohnung wie eine Kreuzung aus Atelier und Lagerraum aussehen.
    Das alles registrierte Nestor mit einem einzigen Blick. Lil, Edith, Phyllis und John Smith waren hingegen von etwas anderem vollkommen gefesselt. An einer Wand hingen zwölf Gemälde, jeweils sechs in zwei Reihen übereinander. Die Frauen kicherten.
    » Das musst du dir anschauen, Edith«, sagte Lil. »Bei dem hier sind zwei Augen auf einer Seite der Nase, und wie groß der Zinken ist! Siehst du das? Ich hab einen siebenjährigen Enkel, der kann das besser. Also, wo die Augen sind, das weiß er jedenfalls!«
    Die drei Frauen fingen an zu lachen, und auch Nestor musste kichern. Auf dem Gemälde war das mit dicken, unbeholfenen Strichen gemalte Profil eines Mannes mit einer grotesk großen Nase zu sehen. Beide Augen waren auf einer Seite der Nase. Die Hände sahen aus wie Fische. Kein Versuch von Schattierung oder Perspektive. Nichts weiter als noch mehr dicke, unbeholfene schwarze Umrisse, die Gebilde schufen, die mit blassen Farben gefüllt waren … und kein Versuch, irgendeins der

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