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Back to Blood

Back to Blood

Titel: Back to Blood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolfe
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seines Vortrags hob John Smith den Kopf weit genug, um Nestor ins Gesicht blicken zu können. »Schauen Sie sich die gut an, Nestor! Was Sie da sehen, sind zwölf der perfektesten, raffiniertesten Fälschungen, die Sie oder sonst wer jemals zu Gesicht bekommen werden. Keine Angst. Die sind nicht von ›Nikolai‹. Die sind von einem echten Künstler.«
    Und dann zwinkerte John Smith Nestor selbstsicher und beschwichtigend zu.
    ::::::Zum Teufel mit dir und deiner Selbstsicherheit. Du spielst hier doch bloß den echten Detective.::::::

Um ganz sicherzugehen, war Magdalena schon um 7 Uhr in die Praxis gefahren. Steif wie eine Leiche — nun ja, fast — saß sie in ihrer weißen Uniform am Schreibtisch. Der Puls der Leiche lag bei 100 pro Minute und näherte sich dem Herzrasen. Magdalena wappnete sich für den Ernstfall.
    Normalerweise traf der ERNSTFALL gegen 7:40 Uhr ein, zwanzig Minuten bevor die Praxis öffnete, und machte sich kurz schlau, welche Art von Gejammer und Gewinsel er bei seinem ersten Patienten um acht Uhr zu erwarten hatte … Er erzählte Magdalena oft, dass er sich nicht vorstellen könne, sich jemals in so einen jammervollen Helden zu verwandeln, der vor einem Ein-Mann-Publikum eine Tragödie aufführt … einem Ein-Mann-Publikum, dem man für sein Kommen fünfhundert Dollar zahlen musste eee AHGGAHHH hahahock hock hock!
    Das ist allerdings kein normaler Morgen. An diesem Morgen wird sie es tun. Das sagt sie sich immer wieder. Sag Nein, jetzt! Was hätte es für einen Sinn, es noch länger hinauszuzögern? Tu es, tu es! Sag Nein, jetzt!
    An einem normalen Morgen hätten sie in seiner Wohnung mit den zwei famosen Waschbecken im Bad … geduscht … hätten sich dann angezogen und gefrühstückt … und wären zusammen in die Praxis gefahren … nebeneinandersitzend in seinem weißen Audi-Cabrio, selbstredend mit offenem Verdeck, scheiß auf die Frisur eines großen Mädchens …
    Sie hatte sich ihre Worte nicht genau zurechtgelegt, weil sie unmöglich voraussagen konnte, mit welcher Sorte ermüdender und gemeiner Sprüche er reagieren würde. Sie erinnerte sich an Normans Geschichte von dem »pissenden Affen«. Als er mit dem pissenden Affen von 60 Minutes namens Ike Walsh fertig werden musste, hatte er die Moral der Geschichte gut umgesetzt. Sie lautete im Kern so: Stopf dem Affen das Maul, dann kann er dich nicht fertigmachen. Eine Fabel über einen Affen, war das die einzige Strategie, die ihr helfen konnte? Ihr Herzschlag beschleunigte sich, während sie verzweifelt nach irgendeiner Methode suchte, die Norman davon abhalten könnte, sie weiterhin zu vögeln, wann immer ihm danach war. Norman war groß und kräftig, und er war jähzornig … nicht dass er sie jemals grob angefasst hätte … und die Minuten verstrichen.
    Sie musste sich beruhigen … und so versuchte sie jeden Gedanken an Normans launisches, aufgeblasenes Ego zu verdrängen. Sie versuchte sich auf ihre unmittelbare Umgebung zu konzentrieren … den weißen, sauberen Untersuchungstisch, bezogen mit einem Laken, das die Matratze so fest umschloss, dass die Oberfläche straff gespannt war … den beigegrauen Stuhl, auf dem die Patienten gewöhnlich saßen, wenn sie ihre Keine-Lust-mehr-Injektion bekamen, obwohl manche der größeren lieber auf dem Rand des Untersuchungstisches saßen, wenn sie ihnen ihre Spritze verpasste … so wie Maurice Fleischmann. ::::::Na los, Magdalena!:::::: Wie sollte sie sich Norman aus dem Kopf schlagen, wenn sie zuließ, dass ihre Gedanken zu Maurice abschweiften? Er war einer der einflussreichsten Männer in Miami. Alle möglichen Leute sprangen, wenn er auftauchte … sprangen, waren bereit, alles zu tun, um ihn zufriedenzustellen … sprangen, um ihm die besten Plätze zu besorgen … lasen ihm jeden Wunsch von den Augen ab … strahlten ihn an … lachten über alles, was auch nur im Entferntesten darauf schließen ließ, er könne es auf ein witziges Bonmot abgesehen haben …
    … und gleichzeitig lief er Norman nach wie ein Hund. Norman hatte den Großen Mann davon überzeugt, dass nur Dr. Norman Lewis, Facharzt für Psychiatrie, in der Lage sei, ihn aus dem dunklen Tal der Tränen, das Pornografie heißt, herauszuführen. Er durfte Maurice sogar zu dessen gesellschaftlichen Auftritten im Kreis der Superreichen begleiten. Den Verdacht hatte Magdalena schon von Anfang an gehabt, aber jetzt wusste sie es: Norman sorgte dafür, dass Maurice sich niemals von seiner Pornografiesucht würde befreien

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