Back to Blood
hingingen. »Da gibt’s noch einen Laden, der heißt Isle of Capri, drüben auf der Brickell, nicht weit vom Causeway. Die haben auch noch auf, da versteht man wenigstens sein eigenes Wort. Ist allerdings ein bisschen teuer.« Was er nicht sagte, war, dass kein Cop in Miami nach seiner Schicht jemals in einen so teuren Laden gehen würde.
»Kein Problem«, sagte John Smith. »Geht auf die Zeitung.«
Sie fuhren zum Isle of Capri, jeder in seinem eigenen Wagen. Als Nestor den Zündschlüssel in seinem Camaro umdrehte, blies ihm die Luft der Klimaanlage ins Gesicht, und als er den Ganghebel auf DRIVE stellte und losfuhr, knallte der Auspuff. Bei dem Konzert aus Klimaanlage und kaputtem Auspuff kam er sich vor, als wäre er im Innern eines jener Laubbläser gefangen, die so laut waren, dass die Typen, die für sieben Dollar die Stunde das Laub wegbliesen, Ohrenschützer tragen mussten … Er war gefangen in einem Laubbläser … Fragen wehten in seinem Kopf herum ::::::War um tue ich das? Was springt für mich dabei heraus außer Ärger? Wozu soll ich Stellung nehmen? Warum ging das »auf die Zeitung«, wie er sich ausdrückte? Warum sollte ich diesem americano trauen? Warum eigentlich? Es liegt auf der Hand, gerade das nicht zu tun … aber man hat mir alles genommen, was in diesem Leben wichtig ist! Ich habe nicht mal Vorfahren … Mein gottverdammter Großvater, der großartige Schleusentorwärter aus den Malecón-Wasserwerken, hackt direkt unter meinen Füßen den Familienstammbaum um … und ich weiß nicht mal, wo ich heute Nacht schlafen soll. Jesus Christus, eher unterhalte ich mich mit einer Schlange, als dass ich überhaupt niemanden zum Reden habe.::::::
Nestor und der Reporter setzten sich an die Bar und bestellten Kaffee. Sehr de luxe die Bar im Isle of Capri … Lampen beleuchteten von unten das vor einer riesigen Spiegelwand aufgebaute Arsenal an Schnapsflaschen. Das Licht ließ die Schnapsflaschen erstrahlen … Glamour hoch drei, und die Spiegelwand machte die Show komplett. Die Show schüchterte Nestor ein, obwohl er wusste, dass die Flaschen nur americanos im besten Alter beeindrucken sollten, die so gerne darüber redeten, wie »stockbesoffen« sie gestern Abend wieder gewesen waren, wie »rattenzu«, »hackedicht«, »voll wie eine Haubitze«, »sternhagelblau« und so »völlig neben der Spur«, dass sie gar nicht mehr wussten, wo sie eigentlich wieder aufgewacht waren. Die americano- Vorstellung davon, was ein Mann war, entsprach sicher nicht der eines Latinos. Trotzdem hatte der schiere Luxus, den die Lightshow der Flaschen hier im Isle of Capri repräsentierten, eine berauschende Wirkung auf Nestor. Gleichzeitig war er so müde wie noch nie in seinem ganzen Leben.
Als der Kaffee vor ihnen stand, kam John Smith vom Herald zur Sache. »Wie gesagt, ich sitze gerade an der Fortsetzung der Geschichte über den Mann auf dem Mast — wie Sie den Burschen gerettet haben — aber meine Quellen erzählen mir, dass viele Kubaner Sie für alles andere als einen Helden halten … eher für einen Verräter« … worauf er den Kopf vorstreckte und in seinem Gesicht die unausgesprochene Frage stand: »Und, was sagen Sie dazu?«
Nestor wusste nicht, was er dazu sagen sollte … der Kaffee, in den er auf kubanische Art löffelweise Zucker geschüttet hatte, war himmlisch. Er machte ihn hungrig.
Er hatte während der Schicht nicht genug gegessen. Die Tatsache, dass seine Existenz, wenn man das so nennen konnte, seine Kollegen bei der Marine Patrol beschämte, hatte ihm den Appetit geraubt. John Smith wartete auf eine Antwort. Nestor war verwirrt, er wusste nicht, ob er sich dazu auslassen sollte oder nicht.
»Schätze, das fragen Sie besser sie «, sagte er.
»Wen?«
»Na ja … die Kubaner eben.«
»Das habe ich«, sagte John Smith. »Aber die trauen mir nicht so recht. Für die meisten bin ich ein Außenstehender. Die wollen nicht viel rauslassen … wenn ich sie nach ethnischen Einstellungen, Nationalität und solchen Sachen frage. Das sind Punkte, da trauen sie dem Herald einfach nicht über den Weg, basta.«
Nestor lächelte, aber nicht vor Vergnügen. »Damit haben Sie absolut recht.«
»Warum müssen Sie da lächeln?«
»Weil da, wo ich herkomme, aus Hialeah, da sagen die Leute, ›Miami Herald‹ und im nächsten Atemzug, ›Yo no creo.‹ Man könnte meinen, der Name der Zeitung wäre Yo No Creo en el Miami Herald. Wissen Sie, was das heißt, ›yo no creo‹ ?«
»Natürlich. ›Das glaube
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