Back to Blood
Bier denken? Das erstaunte Nestor. Es ärgerte ihn. Andererseits … vielleicht wäre ein Bier gar nicht so übel. Vielleicht würde ihn das ein bisschen beruhigen, den Adrenalinfluss verlangsamen … Wenn er jetzt irgendeine andere Droge zur Hand hätte, würde er die auf der Stelle einwerfen … und eine Flasche Bier war ja nun ziemlich milder Stoff. »Ähh … ja«, sagte er. »Ich nehme auch eins.«
John Smith hob die Hand, um den Barkeeper auf sich aufmerksam zu machen. Als er die zwei Bier bestellte, regte sich wieder Nestors Groll. ::::::Schließlich ist es nicht sein Arsch, der hier auf dem Spiel steht.:::::: Während John Smith ihm den Rücken zuwandte, redete er weiter, als wäre ihre Unterhaltung für keine Sekunde unterbrochen gewesen. »Eins ist natürlich klar!«, sagte er. »Wenn ich eine Geschichte über Sie mache — und das kriegen die natürlich sehr bald mit — müsste ich natürlich versuchen, direkt Kontakt mit Ihnen aufzunehmen. Wenn ich das nicht täte, würde das einen komischen Eindruck machen. Das ist das übliche Prozedere.«
Ihr Bier kam. Nestor wartete erst gar nicht auf John Smith. Er nahm seins von der Theke und trank … einen langen kräftigen Schluck … und sofort schwappte eine warme Woge von seinem Magen nach oben ins Gehirn, breitete sich in seinem gesamten zentralen Nervensystem aus … und schien ihn tatsächlich zu beruhigen.
Er begann mit dem Ende seiner Schicht vor vierundzwanzig Stunden … und damit, dass alle seine Kollegen schier ausgeflippt waren und ihm in ihrer launigen CopManier erzählt hatten, wie er die ganze Stadt elektrisiert hatte … und er nach Hause gefahren war … wie auf Flügeln … und gleich an der Haustür mit einer Riesenüberraschung empfangen worden war.
»Da steht also mein Vater. Er wartet schon auf mich, steht da, breitbeinig wie ein Ringer, die Arme verschränkt, ungefähr so —«
— plötzlich brach er mitten im Satz ab und schaute John dem Reporter tief in die Augen … schaute ihn einige Sekunden l ang an, Sekunden voller Spannung, wie er hoffte … Als er weitersprach, tat er das in einer anderen Tonlage, einer, die exakt zu seinem Blick passte.
»Sie erinnen sich noch an das, was Sie mir gerade versprochen haben? Wie Sie mit dem umgehen werden, was ich Ihnen jetzt erzähle?«
»Ja …«
»Dass Sie in Zusammenhang mit den Quellen meinen Namen raushalten?« Er schaute ihn schärfer an.
»Ja …«
»Ich will bloß sichergehen, dass wir uns da richtig verstehen.« Er ließ wieder ein paar Sekunden verstreichen. »Wenn nicht … wäre ich sehr … sauer.«
Dann kostete er diesen speziellen Blick richtig aus. Und erst jetzt wurde ihm klar, dass es sich dabei um seinen CopBlick handelte. Ohne ein Wort vermittelte der Blick eine Botschaft. Hier mache ich die Regeln. Ich habe die ultimative Macht, und ich werde nicht zögern, Sie umzunieten, wenn Sie mich dazu zwingen. Und jetzt wollen Sie natürlich wissen, was mich dazu »zwingen« könnte. Nun ja, zunächst einmal der Bruch eines mündlichen Vertrags .
Der hellhäutige americano wurde totenblass — so jedenfalls kam es Officer Camacho vor. Der Journalist John Smith öffnete leicht die Lippen … sagte aber nichts. Er nickte nur und neigte zaghaft, kaum merklich die Stirn.
Ehe Nestor sich versah … schüttete er John Smith sein Herz aus. Er saß an der Bar des Isle of Capri im glamourösen Glanz der leuchtenden Schnapsflaschen und ließ alles raus. Er konnte diesem americano — den er genau zweimal in seinem Leben gesehen hatte — gar nicht genug erzählen. Er spürte den überwältigenden Drang … nicht zu beichten, denn er hatte nicht gesündigt … nur noch ein Bier sondern irgendwem, irgendeinem zumindest halbwegs unparteiischen Menschen von seiner Pein und Erniedrigung zu erzählen, von seiner Zurückweisung — schlagartig! — in weniger als vierundzwanzig Stunden! — durch all jene, die ihm am nächsten standen, und durch namenlose Tausende seiner eigenen Leute, nur noch ein Bier seiner kubanischen Landsleute, die nur zu gern glaubten, was sie aus dem einflussreichsten Medium, dem spanischsprachigen Radio, und sogar aus dem altmodischen Medium, das niemand unter vierzig auch nur in die Hand nahm, den Zeitungen, erfuhren … von seinem Vater, der in der Tür seines Hauses stand, das auch Nestors Haus war, breitbeinig wie ein Ringer, die Arme über der Brust verschränkt — wie ein wütender Ringer … nur noch ein Bier und von Nachbarn, die er schon sein ganzes
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