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Back to Blood

Back to Blood

Titel: Back to Blood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolfe
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Leben kannte, die ihm den Rücken zuwandten, sobald sie ihn kommen sahen … und, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, von seinen Kollegen, die ihn noch vierundzwanzig Stunden zuvor in den Himmel gehoben hatten nur noch ein Bier … und nun diesen besudelten Mann aus ihrer Mitte kühl und peinlich berührt anschauten … nur noch ein Bier — in cervisia veritas … alles, alles, bis zu seinem klingelnden Handy in der Hosentasche, während er zwanzig Meter über dem Bootsdeck haarscharf am Tod vorbeischrammt und versucht sich Faust an Faust mit einem Mann zwischen den Beinen an einem dreißig Meter langen Tau hinunterzuhangeln … und dann fängt das gottverdammte Handy an zu piep-piep-piepsen und schickt ihm haufenweise SMS , und die Leute — seine eigenen Leute — cubanos — kreischen von der Brücke am Rickenbacker Causeway runter und wünschen ihm die Pest an den Hals … alles, sogar von Magdalenas kalten Augen, als er ihr ! CONCHA ! ins Gesicht schreit —
    Dreieinhalb Stunden lang presste Nestor auch noch den letzten Tropfen seiner Seelenpein aus sich heraus … und hätte auch dann noch nicht aufgehört, wenn das Isle of Capri nicht um 4 Uhr geschlossen hätte. Die beiden jungen Männer standen jetzt draußen auf der Straße. Nestor fühlte sich wacklig auf den Beinen. Sein Gleichgewichtssinn war … weg. Seinem Gang fehlte es an … Flüssigkeit. Na ja, kein Wunder … nach dem Stress der letzten beiden Tage … zu wenig Schlaf … auch zu wenig Essen, wenn man es genau bedachte. Auf den Gedanken, dass er nach neun Bier und einem Tequila, so viel Alkohol, wie er noch nie an einem einzigen Abend getrunken hatte, stockbesoffen sein könnte, kam er nicht.
    Aber der americano periodista kam drauf. Er schaute Nestor an und sagte, »Sie wollen ja wohl nicht mehr nach Hause fahren, oder?«
    Nestor lachte kurz und bitter auf. »Nach Hause? So was hab ich nicht mehr.«
    »Und wo wollen Sie die Nacht über bleiben?«
    »Keine Ahnung«, sagte Nestor, nur dass es sich anhörte wie keianung. »Im Auto, wenn’s sein muss … Nein! Ich hab’s … Ich fahr rüber zu Rodriguez und hau mich in seiner Fitnessbude auf ’ne Matratze.«
    »Ist da nicht geschlossen?«
    Wieder ein kurzes, bitteres Lachen. »Geschlossen? Für Cops ist nirgends geschlossen.« Sogar Nestor nahm verschwommen wahr, dass er CopSprüche klopfte.
    »Nestor« — wieder sein Vorname, eine Unverschämtheit — »ich glaube, Sie sind zu erschöpft, um noch irgend wohin zu fahren. Ich habe eine Schlafcouch in meiner Wohnung, um diese Zeit höchstens fünf Minuten von hier. Wie wär’s?«
    Machte er Witze? Bei einem americano periodista übernach ten? Aber das Wort, das der periodista benutzt hatte … erschöpft. Allein es laut ausgesprochen zu hören machte ihn noch erschöpfter … erschöpft, nicht betrunken … nicht betrunken, ausgelaugt … noch nie hatte er sich so ausgelaugt gefühlt. Er sagte, »Vielleicht haben Sie recht.«
    Später konnte Nestor sich kaum noch an die Fahrt zu John Smiths Wohnung erinnern … oder daran, dass er auf der Couch in dem engen kleinen Wohnzimmer bewusstlos geworden war … oder, dass er alles vollgekotzt hatte …
    Als Nestor aufwachte und in die bewusste Welt zurückkehrte, war es noch nicht so spät, wie er gehofft hatte. Ganz schwach drang das erste Licht des Tages durch das Stück groben Leinenstoffs, das vor dem einzigen Fenster des Zimmers als provisorischer Vorhang diente. Ihm war so schlecht wie noch nie in seinem Leben. Wenn er jetzt versuchte den Kopf anzuheben, würde er gleich wieder bewusstlos werden. Das brauchte er erst gar nicht auszuprobieren, das wusste er auch so. Die Hirnhälfte in der Kopfseite, auf der er lag, war ein einziger See aus Schmerz und Übelkeit. Er wagte es nicht, diesen See auch nur um ein Grad zur Seite zu neigen, sonst würde die Kotze — er konnte sie schon riechen — riechen — wie eine Fontäne aus ihm herausschießen. Er erinnerte sich vage daran, dass er auf den Teppich gekotzt hatte, bevor er umgekippt war.
    Er kapitulierte und schloss wieder die Augen. Musste sie schließen. Augenblicklich schlief er wieder ein. Er schlief schlecht. Immer wieder wachte er ruckartig auf. Das Wichtigste war, nicht die Augen aufzumachen. Das gab ihm wenigstens eine Außenseiterchance, wieder einzuschlafen … egal wie aufgewühlt der Schlaf auch sein mochte.
    Als er schließlich endgültig aufwachte, bildete das Leinentuch eine Fläche aus grellen Lichtpunkten. Es musste fast Mittag sein.

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