Back to Blood
nicht vorstellen, keine drei Sekunden. Er hatte etwas Farbloses, Schwächliches an sich. Diese Sorte — man konnte sich nur schwer vorstellen, dass sie aggressiv genug werden konnte, um auch nur einen CopBlick zustande zu bringen. ::::::Trotzdem ist er, ein americano, meine einzige Hoffnung. Nur er kann verhindern, dass mein eigenes Volk, meine eigene Familie! — wie ein Sturm über mich hinwegfegt. ::::::
Als John Smith vor dem Isle of Capri anhielt, erkannte Nestor den Laden kaum wieder. In der Mittagssonne sah er klein, grau und tot aus. Wie konnte der jemals glamourös ausgesehen haben? Nicht ein Hauch von Glanz … eine billige kleine Spelunke, mehr nicht. Er sah seinen Camaro, Gott sei Dank. Er konnte sich nicht erinnern, dass er ihn da abgestellt hatte.
Er bedankte sich noch einmal bei John Smith und versprach, so viel wie möglich über den Russen herauszufinden. Als er aus dem Wagen stieg, überkam ihn ein merkwürdiges Gefühl. Im nächsten Augenblick würde John Smith losfahren, und er, Nestor Camacho, würde verlassen zurückbleiben. Das war das Gefühl … verlassen … es breitete sich allmählich in seinem ganzen zentralen Nervensystem aus. Jetzt … das war wirklich merkwürdig. Er verspürte den irrationalen Drang, den americano zu bitten, noch etwas zu bleiben … wenigstens bis er zur nächsten Schicht in die Marina der Marine Patrol fahren musste. Ich bin allein! … so allein wie noch nie zuvor in meinem Leben! Und die Schicht bei der Marine Patrol würde es nur noch schlimmer machen. Bei Schichtende gestern um Mitternacht, da hatten ihn seine »Kameraden«, seine »Brüder«, angeschaut, als wünschten sie, sie müssten ihn nicht anschauen. Und das war nur der erste Tag nach der Geschichte mit dem Mann auf dem Mast. Heute Abend würden sie sich fragen, warum er nicht einfach so anständig sein könnte … sich in Luft aufzulösen … so wie es alle anständigen gebrandmarkten Männer taten.
::::::Warum springst du nicht gleich in den Fluss und ersäufst dich, du elender kleiner maricón? :::::: Menschen, die sich in Selbstmitleid ergingen, hatte er immer verachtet. Damit verloren sie alle Würde. Und jetzt genehmigte er, Nestor Camacho, sich selbst diese perverse Erleichterung, sich vor dem Kampf — und all den Arschlöchern — zu drücken, indem er aufgab und halb hoffte, man würde ihn ein drittes Mal in die Tiefe stoßen. Aber dann wäre endlich Schluss mit dem Elend, oder?
Tatsächlich musste Ertrinken etwas Friedliches haben … wenn man mal den ersten Schock, nie mehr atmen zu können, nie mehr einen weiteren Atemzug tun zu können, überwunden hatte. Aber den ersten Schock hatte er ja schon hinter sich, oder? Wofür genau sollte er noch leben? Für seine Familie? Seine Freunde? Sein kubanisches Erbe? Die Menschen, die er liebte? Die große romantische Liebe seines Lebens? Vielleicht für John Smiths Beifall. Darüber musste er lachen … dreckig lachen. John Smith würde seinen dritten Untergang sicher sehr gern beklatschen. Dann konnte er noch eine Schmalzgeschichte, die das Leben schrieb, aus dieser ganzen Scheiße herausquetschen. Nestor sah den gespielt aufrichtigen Ausdruck in John Smiths Gesicht so deutlich vor sich, als stünde er direkt vor ihm.
Dieser hinterhältige dürre WASP ! Alles für eine Story … das ist seine Aufrichtigkeit … Andere Gesichter tauchten auf … lebhaft … lebhaft … für den Bruchteil einer Sekunde am Brückengeländer auf dem Rickenbacker Causeway. In diesem Sekundenbruchteil — eine Frau in den Vierzigern … nie zuvor in seinem Leben hatte er ein so hässliches Gesicht gesehen. Sie bespuckte ihn. Sie raste. Sie versuchte ihn mit tödlichen Blitzen aus den tief liegenden Augen ihres verzerrten Gesichts umzubringen. Er hörte das Buhgeschrei, das aus allen Richtungen auf ihn einprasselte, auch von unten, von all den kleinen Booten, die aus keinem anderen Grund hinausgefahren waren, als um ihn abzuschießen. Und — wer … ist … das? ::::::Tatsächlich, das ist Camilo el Caudillo! Er steht direkt vor mir, mit selbstgefällig über der Wampe verschränkten Armen … und da ist meine einfältig lächelnde Mutter, triefend vor Mitgefühl, wohl wissend, dass das Wort des Caudillos das Evangelium ist … Yeya und Yeyo — hah!:::::: Alle Camachos halten ihn für den Ultimativen Verräter … Onkel Andres’ angeheirateter Cousin Hernán Lugo, der sich auf Yeyas Geburtstagsparty anheischig gemacht hatte, ihm einen Vortrag zu halten … Rafael
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