Back to Blood
Der Bürgermeister war schon da, außerdem sein Kommunikationschef, wie man die Presse fritzen jetzt offiziell nannte, ein großer schlanker Mann namens Efraim Portuondo, der als attraktiv hätte gelten können, wenn er nicht so mürrisch gewesen wäre … außerdem Rinaldo Bosch, ein kleiner Mann mit birnenförmiger Figur, der erst vierzig Jahre alt, aber schon so kahl wie ein Schalterbeamter war. Er war der Stadtdirektor, ein Titel ohne große Bedeutung bei einem Bürgermeister wie Dionisio Cruz.
Als der Chief durch die Tür trat, riss der Bürgermeister seinen Mund so weit auf, als wollte er … sich den Chief, seinen finsteren Pressefritzen und seinen kleinen kahlen Stadtdirektor … auf einen Sitz einverleiben:
»Heyyyy, Chief, kommen Sie rein! Setzen Sie sich! Schnaufen Sie erst mal durch und sammeln Sie sich! Machen Sie sich auf was gefasst! Gibt Arbeit heute Morgen, eine wahre Plage Gottes!«
»Ist das das Gleiche wie eine Plage Dios?«, fragte der Chief.
Plötzliche Stille … währenddessen sich die translinguale Stringenz des Witzes in den drei kubanischen Köpfen verlinkte … Gott gleich Dios …
Kurzes bellendes Gelächter von Kommunikations- und Stadtdirektor. Sie konnten sich nicht zurückhalten, machten es aber kurz. Sie wussten, dass Dio Cruz so was nicht lustig fand.
Der Bürgermeister bedachte den Chief mit einem kühlen Lächeln. »Okay, da Sie ja so fließend Spanisch sprechen, werden Sie sicher auch wissen was ›A veces, algunos son verdaderos coñazos del culo‹ heißt.«
Kommunikationsdirektor Portuondo und Stadtdirektor Bosch lachten wieder kurz auf und schauten dann dem Chief mitten ins Gesicht. An ihren erwartungsvollen Augen erkann te er, dass der gute alte Dionisio ihn gerade zurechtgewiesen hatte und sie seinen Konter gar nicht erwarten konnten. Aber der Chief hielt es für schlauer, nicht auf einer Übersetzung zu bestehen. Also lachte er und sagte »Hey, war nur ein Witz, Herr Bürgermeister, war nur ein Witz!«.
Das »Herr Bürgermeister« war nur ein sanft ironischer Einschub, den er sich nicht verkneifen konnte. Er nannte ihn sonst nie »Herr Bürgermeister«. Wenn sie unter sich waren, nannte er ihn »Dio«. In Anwesenheit anderer nannte er ihn nie irgendwas. Er schaute ihn nur an und sprach. Er konnte nicht genau erklären, warum, aber er hielt es grundsätzlich für einen Fehler, vor dem guten alten Dionisio zu buckeln.
Er sah, dass der Bürgermeister ohnehin genug von dem kleinen Zwischenspiel hatte. Er konnte es nicht ertragen, zweiter Sieger zu sein. Der gute alte Dionisio setzte sich mit seinem finsteren Das-ist-eine-ernste-Sache-Blick auf einen Stuhl. Die anderen setzten sich ebenfalls.
»Okay, Chief«, sagte der Bürgermeister. »Sie wissen, dass wir uns in einer beschissenen Lage befinden, und ich weiß, dass wir uns in einer beschissenen Lage befinden. Dieser Officer, dieses Bürschchen Camacho bekommt den Befehl, den Kerl von dem Mast runterzuholen. Also klettert er hoch und schafft ihn runter, aber vorher muss er noch unbedingt so einen Hochseilzirkus veranstalten. Die Geschichte kommt im Fernsehen, und jetzt regt sich die halbe Stadt auf, dass wir hier rumsitzen und dabei zuschauen, wenn der Anführer einer Anti-Castro-Untergrundorganisation legal gelyncht wird. Auf so was kann ich gut verzichten.«
»Wir wissen noch gar nicht, wer das überhaupt ist. Die Küstenwache sagt, kein Mensch hat je von dem Burschen gehört, und kein Mensch hat auch jemals was von dieser Untergrundbewegung El Solvente gehört, von der er behauptet, dass er ihr Anführer ist.«
»Ja, sicher, aber erzählen Sie das mal den Leuten, die uns jetzt im Nacken sitzen. Die blenden das einfach aus. Diese ganze Geschichte ist wie eine Panik, wie ein Aufstand oder so was. Die Leute glauben das … die halten den Typen für einen Scheißmärtyrer. Wenn wir was anderes sagen … dann heißt’s, das ist bloß irgendein mieser Trick, und wir wollen nur alles unter den Teppich kehren.«
»Was sollen wir sonst machen?«, fragte der Chief.
»Wo ist dieser Bursche, der von dem Mast — jetzt, in diesem Augenblick?«
»In Gewahrsam auf einem Schiff der Küstenwache, bis sie ihre Entscheidung verkünden, was sie mit ihm machen. Wahrscheinlich warten sie erst mal ein bisschen ab, bis sich alles beruhigt. Bis dahin ist er unsichtbar.«
»Also, das Gleiche machen wir mit Officer Camacho. Schafft ihn irgendwohin, wo er unsichtbar ist.«
»Und wohin?«
»Oh … hmmmmm … ich hab’s! Schafft ihn
Weitere Kostenlose Bücher