BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
was Blut?
Bazon Thorne lächelte ob dieser Vorstellung. Doch die Regung seiner Lippen erstarb, als ihm einfiel, dass niemand, der seine Kunst zu würdigen wusste, seine Werke je zu Gesicht bekommen würde.
So war es in der Zeit vor Highgate Hall gewesen – und daran würde sich jetzt, quasi in der zweiten Periode seines Schaffens, nichts ändern.
Jene, die seine Bilder damals fanden, nachdem sie ihn als mehrfachen Mörder entlarvt hatten, hatten keinen Blick und Sinn für ihre morbide Schönheit besessen. Nur Ekel hatten sie empfunden in Anbetracht seines mitunter fast fotorealistischen Darstellungsvermögens...
Und
Mörder
– diesen Begriff wollte Bazon Thorne noch heute nicht für sich gelten lassen. Zwar hatte er getötet, sicher – aber hatte er allen, die von seiner Hand gestorben waren, nicht im Grunde Unsterblichkeit geschenkt? Hatte er sie nicht im Wortsinn verewigt, indem er sie gemalt hatte?
»
Ars longa, vita brevis
«, seufzte Thorne. »Lang ist die Kunst, kurz das Leben.«
Ein schleifendes Geräusch, gefolgt von einem dumpfen Laut, ließ ihn erschrocken von seiner Arbeit aufsehen.
Sein »Modell« hatte sich – bewegt...
Die Tote – schön noch immer, trotz der blutroten Wunde, die unter ihrem Kinn klaffte wie ein zweiter Mund, zu einem breiten Lächeln verzogen – war von ihrem Thron gerutscht, den Bazon Thorne ihr aus Holzkisten und feuchten Kartons errichtet hatte.
»Na, nicht so eilig«, sagte er lächelnd, »wir sind noch nicht am Ende unserer Sitzung.«
Er stand auf, ging zu der Toten und brachte sie von neuem in Position, bis das flackernde Kerzenlicht wieder jenes Schattenmuster, das er in Ansätzen schon festgehalten hatte, auf ihre Haut warf.
Einen Moment lang wollte Beunruhigung über ihn kommen.
Weil er dieses Mädchen nicht hätte töten dürfen...
Milton Banks hatte es ihnen untersagt, auch nur einen von denen, die mit ihnen aus Highgate Hall geflohen und auf dieses Gehöft gekommen waren, anzurühren. Ihre Zahl durfte nicht verändert werden.
Jetzt waren es nur 349 hochgefährliche »Patienten«, die über Bazon Thorne in den Stallungen des Hofes gefangen saßen...
Er zuckte die Schultern. Einer mehr oder weniger – was sollte das ausmachen?
Und schließlich – er hatte einfach töten
müssen
! Weil er
malen
musste. Viel zu lange hatte er es nicht tun dürfen, nicht tun
können
– er hatte sogar Abscheu vor seinem einstigen Tun empfunden! Weil die »Ärzte« auf Highgate Hall etwas wie eine Mauer zwischen jenem Bazon Thorne, der er einmal gewesen war, und dem Bazon Thorne, der in Highgate Hall einsaß, gezogen hatten.
Wie gefangen in fremdem Geist und Körper hatte er sich gefühlt. Bis dieser junge Bursche in der gestrigen Nacht aufgetaucht war – und ein Wunder vollbracht hatte! Dieser Jüngling hatte es geschafft, jene Mauer zwischen damals und heute niederzureißen – und dafür hatte er einen vergleichsweise lächerlich geringen Gefallen verlangt, den Bazon Thorne im gerne erweisen würde...
... wenn es an der Zeit dafür war.
Diese Zeit aber konnte jederzeit gekommen sein.
Bazon Thorne ließ das Kohlestück schneller über das Papier kratzen und streifen –
- und schrak abermals auf! So heftig diesmal, dass Papier und Kohle seinen Händen entglitten.
Das Kerzenlicht tanzte im Luftzug, der durch die offene Tür hereinfuhr. Schattengestalten schienen über die Wände aus rohem Stein zu rasen.
Und zu rasen schien auch Carl Palmoy – vor Zorn!
»Bist du irre?«, keifte er. Speichel sprühte ihm von den wulstigen Lippen. Sein Gesicht wirkte nicht allein des Kerzenscheins wegen rot.
»W-was hast d-du d-denn?«, stammelte Bazon Thorne, auf dem Boden umherkriechend und blind nach seinen Utensilien tastend, weil er Carl Palmoy, dessen bullige Gestalt zu hochgeschossen war für den niederen Raum, nicht aus den Augen ließ.
Palmoys fleischiger Zeigefinger stieß vor, als wolle er die Tote aufspießen.
»Du hast sie umgebracht, verdammt!«, grollte er.
»Ja, gut, ich habe sie umgebracht«, gestand Thorne, merklich ruhiger als eben noch. »Und? Was macht's? Ich musste es tun, versteh doch –«
»Fragt sich, ob Milton das verstehen wird«, gab Palmoy lauernd zurück. »Du weißt, was er gesagt hat.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
»Er muss es ja nicht erfahren«, meinte Bazon Thorne. »Er wird kaum nachzählen, ob noch alle da sind, oder?«
»Er
wird
es erfahren«, erklärte Carl Palmoy. »Weil
du
es ihm erzählen wirst!«
»Den Teufel
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