BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
erträumte. Ich habe ihn nicht 'verschleppt'. Er folgte mir freiwillig. Dies war das Opfer, das er bringen wollte, um zu werden, was ich ihm versprach: Der Tag, an dem er in die Welt zurückkehren durfte, war festgelegt. Er wäre zum angesehensten Spezialisten auf seinem Gebiet geworden. So lautete das Abkommen.«
Sardon spürte seine Verunsicherung, und er war wütend darüber. »Ihr könnt Pakte schließen wie euer... Vater?«
»Er gab uns die Macht.«
»Und trotzdem bezeichnest du dich als die letzte der Archonten? Sind alle anderen umgekommen, trotz ihrer
Macht
?«, Das letzte Wort spie er ihr entgegen.
Ein Schatten legte sich über ihr Gesicht. Die Lippen zuckten. »Umgekommen?«, Sie atmete tief ein und aus. »Ich wünschte, ich wüsste, was aus ihnen geworden ist. Sicher ist: Das Band zwischen uns ist zerschnitten, und das
kann
nur bedeuten, dass sie nicht mehr am Leben sind.«
»Erzähl mir, was passiert ist.«
»Wenn du mir meines Vaters Botschaft nennst.«
Sardon zögerte. Doch er hatte kaum noch Zweifel, einer der Gesuchten gegenüberzustehen. Deshalb gab er sich einen Ruck und zitierte Gabriel.
»Der Moment der Rache, die finale Schlacht ist nah?«, wiederholte Jada. »Unser Vater erwartet uns? Wo?«
»In Jerusalem.«
»Ausgerechnet...«
Damit sprach sie Sardon aus der Seele.
»Wahrscheinlich können wir uns den Weg sparen«, sagte er. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass du allein Ihm von Nutzen sein könntest... Aber erzähl, wo die anderen geblieben sind. Vielleicht -«
Jada schüttelte den Kopf. »Es ist sinnlos. Seit damals bin ich allein. Das Band ist zerrissen.«
»Wann war das?«
»Seit wir versuchten, den Weg ohne sie zurückzugehen, um das Geschehene ungeschehen zu machen.«
Sardon sah das in Knochen gekleidete Wesen fragend an.
Und Jada fing an zu erzählen...
Uruk, 1705
und zu anderer Zeit
»Sie kommen«, sagt Zoe.
Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch. Warmer Wind bewegt die Schleier meines Gewands, unter dem ich den Körper verberge, für den Hitze und Sonne ein ewiger Feind sind. Die Blässe, die das Grab auf meiner Haut hinterlassen hat, reagiert über die Maßen empfindlich, wenn kein Tuch sie schützt.
Einmal habe ich eine großflächige, schwer heilende Verbrennung erlitten, und die Narben sind noch heute zu erkennen. Dieser Körper, so bescheiden er sonst in seinen Ansprüchen auch sein mag, verzeiht, was man ihm antut, nur schwer.
Aber vielleicht ist es gerade diese Empfindlichkeit, die mich und meinesgleichen daran gemahnen soll, welche Gnade wir überhaupt erfahren haben, als wir den Bauch der Erde noch einmal verlassen durften. Der Tod von damals ist noch heute Teil meiner Erinnerung und wird es bleiben, genau wie die Qual und die Furcht, die mein Sterben im zarten Kindesalter begleitet haben... [5]
»Ja«, sage ich. »Ich weiß.«
Zu Fuß nähern sich die beiden Gestalten aus der Ferne, und es dauert noch einmal Stunden, bis sie endlich den Berg erklommen haben, an dem die Feste der Ophiten sich erhebt. Seit Jahrhunderten hat keiner ihrer Erbauer, kein Gnostiker mehr seinen Fuß in sie gesetzt, aber uns Archonten wird sie als Ort dieser ersten Zusammenkunft seit Jahrzehnten willkommen sein. Die Zeit hat uns von Perpignan aus in alle Winde verweht, aber niemals haben wir jene Frau aus den Augen verloren, auf die wir all unsere verbliebene Hoffnung setzten.
Die Frau, die nun – wahrscheinlich für immer – unserer Reichweite entrückt ist...
»Ihr habt Elisabeth Stifter in den Korridor entkommen lassen«, wirft Jada unseren Brüdern vor, als wir einander im ehemaligen Versammlungssaal der Ophiten begegnen.
Kein Gruß, keine Wiedersehensfreude versüßt den Schmerz.
Ihr Fußmarsch, nachdem sie ihre Kamele zu Tode geritten haben, hat Loth und Natan nicht merklich erschöpft. Sie fühlen weder Hunger noch Durst, nur dieselbe tiefe Enttäuschung wie jeder Archont, ganz gleich, wo er sich gerade aufhält. Von der katastrophalen Wende in der Entwicklung wissen sie alle. Elisabeth Stifters Flucht in den Zeitkorridor vereitelt alle Pläne.
»Wir haben versagt«, bestätigt Natan, und Loth nickt. »Wir waren unserer Sache zu sicher. Die große Liebe ihres Lebens wiederzubekommen, so dachten wir, wäre ihr jede Hilfe wert. Aber dem war nicht so.«
»Liebe...« Ich beiße mir auf die Unterlippe. Das Tuch scheuert auf meiner Haut. Im Innern der Festung verzichte ich auf jede einengende Bekleidung. Scham voreinander kennen wir nicht. Der einmal erlebte
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