BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
locken.
Der Mann war nicht ansprechbar. Er schien auf jenem schmalen Grat zwischen Bewusstsein und Besinnungslosigkeit zu balancieren. Er stöhnte leise; ein schmaler Blutfaden sickerte ihm aus dem Kinnwinkel.
Ebenso rasch wie vorsichtig untersuchte Glory den Verletzten.
»Und?«, fragte Devan Daridov.
»Er braucht einen Arzt.«
»Ach?«
Sie mussten lauter reden, als es in der Situation ratsam gewesen wäre. Beide hatten sie noch ein unangenehmes Klingeln im Ohr, eine Nachwirkung der Schüsse.
Und daran lag es auch, dass sie gleichsam taub für andere Geräusche waren. Für leise Schritte etwa, die sich ihnen näherten...
... erst die Stimme hörten sie!
»Ich glaube nicht, dass Mr. McDermott in ärztliche Behandlung muss.«
Glory Anson schrak hoch. Devan Daridov blieb reglos.
»Milton Banks«, knirschte er. Es gab Dinge, die ein Mensch nie vergaß – und für Devan Daridov zählte die Stimme von Milton Banks zu diesen Dingen.
»Wie schön, dass Sie sich an mich erinnern«, bemerkte Banks jovial.
Glorys Waffenhand verharrte auf halber Höhe. Sie sah sich einer solchen Übermacht gegenüber, wie sie sie nie zuvor gesehen hatte. Und nie gespenstischer!
Weißgekleidete Gestalten reihten sich um sie her. Ihre Zahl schien stetig anzuwachsen, ihr Nachschub unerschöpflich, und sie staksten umher wie Zombies, tumb und eckig.
Dennoch ging die größte Gefahr momentan nicht von ihnen aus, und auch nicht von Milton Banks, der Glory Anson überdies eher an einen freundlichen Großvater erinnerte als an den abartigen Mörder, der er war.
Was sie von jeder hastigen Bewegung oder gar Gegenwehr Abstand nehmen ließ, war die doppelläufige Flinte, die ein bulliger Kerl mit fleischigen Lippen und glitzernden Schweinsäuglein auf sie richtete!
Devan Daridov hatte noch immer nicht aufgeschaut.
»Was sollte mich daran hindern, Sie einfach umzulegen, Banks?«, fragte er kalt.
Erst jetzt hob er den Kopf, und gleichzeitig stieß er seine Pistole in Banks' Richtung.
Carl Palmoy drückte ab.
Glory Anson schrie auf.
Und Morgan McDermott zuckte wie unter einem Stromschlag in die Höhe, sackte dann zurück und blieb still liegen. Sein Hemd färbte sich rot.
»Die nächste Kugel könnte Ihre hübsche Begleiterin treffen«, sagte Milton Banks im Plauderton. »Mr. McDermotts Waffe ist zwar nicht mehr die neueste, aber mein Freund Carl ist ein guter Schütze, wie Sie feststellen konnten, nicht wahr?«
Er klopfte dem Hünen kameradschaftlich auf die Schulter.
»So«, fuhr Milton Banks fort und rieb sich die Hände wie in Vorfreude, »und nun legen Sie bitte beide Ihre Waffen beiseite.«
Sie gehorchten, Glory Anson eine Spur rascher als ihr Partner.
»Ich freue mich wirklich, Sie wiederzusehen, Mr. Daridov«, sprach Milton Banks dann weiter, und ganz ohne Arg ergänzte er: »Ich fürchte, Sie müssen zum Essen bleiben.«
Er zwinkerte Daridov verschwörerisch zu.
Und Glory Anson drehte sich fast der Magen um.
Die Situation war absurd. Irreal wie ein Alptraum. Einer von der Art jedoch, das spürte Glory Anson, aus denen es kein Erwachen gab, bevor nicht das bittere Ende erreicht war...
Sie waren in die geräumige Wohnküche des McDermottschen Hauses geführt worden, nachdem die weißbekittelten Männer und Frauen wie Vieh in die Stallungen und sonstigen Wirtschaftsgebäude des Hofes gepfercht und eingeschlossen worden waren.
»Was soll das alles, Banks?«, hatte Devan Daridov auf dem Weg zum Haus gefragt.
Milton Banks hatte gelächelt und gesagt: »Das muss Sie nicht interessieren, Mr. Daridov. Ich gehöre nicht zu jenen Bösewichten, die ihren Widersachern kurz vor deren Ende noch ihre Pläne minutiös darlegen. Sie wissen doch – ich bin eher ein... sagen wir, stiller Genießer.«
Jetzt saßen sie um den massiven Küchentisch. Carl Palmoy stand etwas abseits und hielt die nachgeladene Flinte auf die beiden Agenten gerichtet, denen man zwischenzeitlich Hände und Füße gefesselt hatte. Bei aller zur Schau gestellten Jovialität ging Milton Banks doch kein Risiko ein.
Er saß ihnen gegenüber und stellte nun seine Freunde vor, als säßen sie tatsächlich in Erwartung eines gemeinsamen Dinners beisammen, zu dem er eingeladen hatte.
»Carl Palmoy haben Sie ja bereits kennengelernt«, sagte Banks. »Dies hier –«, er deutete auf einen schmächtigen Mann mit öligem Haar und Basedow-Augen, »– ist Bazon Thorne, ein begnadeter Maler. Und hier haben wir –«, Banks zeigte auf den nächsten in der Runde,
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