BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
unreifes Gesicht, dem die kalkige Blässe noch mehr Durchsetzungsvermögen absprach als sonst, auf jeden Fall ignorierte ihn die einfallende Horde total!
Ungeschoren bis auf ein paar blaue Flecke, die er sich von den ungestüm vorbeidrängenden Männern einhandelte, denen er im Wege stand, fand er sich kurze Zeit später auf einem fast verlassenen Hof wieder. Sein erster Gedanke war, zurück zu seinem Vormund zu eilen und ihm von der Katastrophe zu berichten. Doch dann entdeckte er einen ganz neuen Zug an sich, der an Verwegenheit grenzte und ihm einen fast wohligen Schauer bescherte: Neugierde.
Die Beobachtung, dass sich offenbar selbst Soldaten, die die Burg und ihre Bewohner eigentlich hätten verteidigen sollen, auf die Seite der Eindringlinge geschlagen hatten, gipfelte in der Erkenntnis, dass er es keineswegs mit tolldreisten Mordbuben zu tun hatte. Diese Bürger sahen ihre Rechte in Gefahr, und deshalb handelten sie...
... was natürlich nicht ausschloss, dass der eine oder andere Tropfen Blut fließen würde.
Schreie, so schrill und entsetzlich, dass sie durch Mark und Bein gingen, unterbrachen Justus' Gedankengang und zwangen ihn, den Blick zum Himmel hinauf zu richten. So sah er gerade noch die letzten beiden dem Turm entsteigen, der zum innersten Palastbezirk gehörte –
– die letzten beiden von insgesamt sieben Fledermäusen, groß wie Hunde und geradezu verzweifelt mit ihren ledrigen Schwingen auf die Luft einschlagend, als versuchten sie, eine unsichtbare Fessel zu zerreißen, die sie an ihrer Flucht hindern wollte!
Flucht, ja, anders war dieses panische Bemühen, den Himmel zu erklimmen, nicht zu deuten. Aber Flucht
wovor?
Es sah aus, als wären Fänger hinter ihnen her – Verfolger, die es auf das Leben dieser niederen Kreaturen abgesehen hatten.
Aber wer, in Gottes Namen, sollte es in dieser Situation auf
Fledermäuse
abgesehen haben...?
Justus zögerte nicht länger. Er rannte zu der Tür zurück, die von der Meute – noch – unbeachtet geblieben war und die geradewegs zu den Verliesen hinab führte.
So zwiespältig sein Verhältnis zu seinem Vormund auch war, es gab nicht den geringsten Zweifel für Justus, dass er ihn warnen musste. Wenzel und sein Gefolge durften nicht ahnungslos weiter ihren Untersuchungen nachgehen. Wer wusste schon, wen der Mob als nächstes aufs Korn nehmen würde...
Doch kaum war Justus durch die Tür ins Halbdunkel der überdachten Stufen getaucht, die nur in größeren Abständen von blakenden Fackeln erhellt wurden, blieb er unvermittelt stehen.
Vor ihm, direkt am Beginn der Treppe, stand das Mädchen!
Das Mädchen, das um die Enthauptete geweint hatte, und das ihn unverwandt anstarrte!
Es lächelte – und brachte ihn damit vollends aus dem Konzept. So sehr, dass es plötzlich nicht mehr allzu vordringlich schien, Wenzel oder irgendjemanden sonst zu warnen...
"Warum siehst du mich so an? Geh mir aus dem Weg!"
"Und wenn nicht?"
Was für eine Frage!
"Lass mich vorbei!"
"Heute Nacht warst du netter... und anschmiegsamer."
Justus' Gedanken überstürzten sich. "Was willst du damit sagen?!"
"Dass es
schön
war. Aber wenn du das nicht mehr selbst weißt..."
"Wie sollte ich wissen, was nie passiert ist?“, Er blinzelte, stand aber weiter wie angenagelt da. Plötzlich, er wusste selbst nicht, wie er es zulassen konnte, kamen ihm Zweifel. Sollten sie etwa tatsächlich...? Er hatte ja von ihr geträumt – aber doch eben nur
geträumt
!
Oder?
"Bist du eine Hexe wie deine Mutter?"
Sie zuckte zusammen. Ganz kurz erstarb das Lächeln um ihre Lippen, die jetzt schon, im zarten Alter von vielleicht fünfzehn Jahren, so sinnlich, so magisch anziehend wirkten, dass schon abzusehen war, wo auch dieses Geschöpf eines Tages enden würde. Diese rothaarige kleine...
Nein!
maßregelte sich Justus selbst, weil er nicht zulassen wollte, dass sein erster Eindruck von diesem Mädchen so radikal umgeworfen wurde.
"Woher weißt du, dass sie meine Mutter war?"
Die Frage verblüffte ihn – zu offensichtlich war die Ähnlichkeit der beiden. Aber vielleicht nur für ihn, nicht für sie...
"Beantworte zuerst meine Frage: Bist du eine...?"
"Und wenn?“, Sie lachte klirrend und warf den Kopf zurück, dass ihre wilde Haarmähne nach hinten peitschte. "Hast du Angst vor Hexen? – Natürlich! Jeder fürchtet sie... aber auch wieder nicht so sehr, um sich davor zu scheuen, den Ofen mit ihnen zu schüren! Ach, wie gut sie brennen, findest du nicht auch...?"
"Ich
Weitere Kostenlose Bücher