BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
hatte.
Er fand ihn nicht.
Die Stimme holte ihn ein: "Können wir jetzt gehen?"
Ja.
Ja!
Plötzlich lockerte sich der Ring um Wenzels Brustkorb. Saugend holte er Luft. Die Schatten vor seinem Blick wichen. Er band sich die Schürze ab.
Ein Blick in die Runde seiner Helfer ernüchterte ihn endgültig. "Schluss für heute! Geht, ruht euch aus! Ich rufe euch, sobald ich euch wieder brauche..."
Und dann, als fiele ihm erst jetzt wieder ein, worüber Justus ihm berichtet hatte, wischte er sich über die müden Augen. "Ich habe ganz vergessen: Hat mein Mündel wieder einmal übertrieben, den Teufel an die Wand gemalt? Mit dem angeblichen Einfall Aufständischer, von dem mir berichtet wurde, kann es wohl nicht weit her gewesen sein, Graf...?"
Noch ehe die wuchtige Gestalt im Eingang antworten konnte, brach aus dem dunkel-feuchten Gang dahinter ein Schrei zu Wenzel durch – ein Schrei, der das Wesen in der Tür zwang, Farbe zu bekennen und die Maske, die es angelegt hatte, fallen zu lassen:
"Vorsicht, Vater, gebt acht!“, rief Justus aus. "Das kann nicht der Graf Martinic sein! Unmöglich! – Im Namen des Herrn und aller Apostel:
Seht Euch vor...!"
Zur gleichen Zeit, im Burggraben
Dort unten lag sein lieber Gespann und treuer Freund, der Graf Slavata, und röchelte, dass es Martinic eng ums Herz wurde.
Dass sie überhaupt noch lebten, glich einem Wunder! Aus dieser Höhe hinabzustürzen auf den harten Grund hätte ihnen beiden das Genick brechen können und – wenn es nach denen dort droben ging – wohl auch sollen...!
"Dieser Hundsfott von Verräter!“, fluchte Martinic im Gedenken an den Grafen Thurn und wälzte sodann seine Leibesfülle hinab zum Schwager, den es tiefer in den Graben getragen hatte und wohl auch ärger getroffen.
Immer wieder verwickelte sich Martinic in seinem Mantel und fügte sich mit dem eigenen Rapier und dem an der Hüfte befestigten Dolch Verletzungen zu, schlimmer als die, die er sich beim Sturz zugezogen hatte. Trotzdem gab er nicht eher Ruhe, bis er bei seinem Oheim angelangt war, dessen Gesicht voller Blut war.
Martinic säuberte es notdürftig mit einem Tuch und betete inständig, dass Slavata wieder die Augen öffnen möge. Um dem nachzuhelfen, zog er ein kleines Etui hervor, in dem er sein Schlagbalsam aufbewahrte, und rieb damit Schläfen und Oberlippe des Ohnmächtigen ein, dem der strenge Duft sogleich in die Nase steigen musste.
Martinic seufzte gottergeben, als ihm der Graf nach einer Weile blinzelnd entgegen starrte, und es war ein Schwur, mit dem er ihn im Leben zurück begrüßte: "Das werden sie bereuen! Das wird der König ihnen nicht vergeben, und du und ich, wir wissen, was das bedeutet, alter Freund!"
Stumm starrte Slavata an Martinic vorbei zu dem östlichen Fenster der Kanzlei hinauf, durch das sie in die Tiefe gestürzt worden waren. Noch immer war dort oben das Toben der Aufständischen zu hören, aber, wie Martinic, meinte auch Slavata bereits anderen Lärm herauszuhören.
Den drohenden Unterton eines nun unvermeidbar gewordenen, noch blutigeren Gemetzels – eines Krieges, von dem auch die beiden Grafen nicht ahnen konnten, dass er dreißig lange Jahre Not, Tod und Verwüstung über die Lande speien würde...
Die gerade noch Larmoyanz verströmende feiste Gestalt des Grafen schien im nächsten Augenblick zu einer massiven Statue zu erstarren – zu einem Klotz bar jeden Lebens, bar jeglicher Menschlichkeit!
Justus bereute es, den warnenden Ruf getan zu haben, kaum dass er seine Kehle verlassen hatte – denn ihm wurde klar, dass er sich dadurch den Zorn des Unheimlichen zugezogen hatte.
Aber es war zu spät!
Alles schien zu spät!
Anna war ihm hinab ins Gewölbe gefolgt. Er hatte sie gebeten, bei ihm zu bleiben, wenn er seinem Vormund Kunde vom Fenstersturz überbrachte...
... und dann hatten sie wohl beide ihren Ohren und Augen misstraut, als sie hier unten auf den Grafen Martinic gestoßen waren – oder jenes Wesen, das
vorgab
, der Graf zu sein...!
"Komm!“, Annas Hand riss ihn an der Schulter zurück. Das Ende des Wortwechsels zwischen dem falschen Grafen und dem Inquisitor hatten sie noch mitbekommen. Das, was dort halb in der Tür zu Wenzels Laboratorium und halb auf dem Gang zu den Verliesen stand, hatte sich nach der Gefangenen erkundigt, deren bloße Nähe Leben und Jugend aus den Körpern ihrer Mitgefangenen zog!
Was bedeutete dieses Interesse? Dass sie einander verwandt waren...?
Es konnte alles
Weitere Kostenlose Bücher