Ballade der Liebe
Straßen von Covent Garden zur Wohnung der O’Keefes. Tanner hatte den Ausflug mit allem Nachdruck befürwortet, nachdem er von Greythornes Interesse erfahren hatte.
„Irgendetwas stimmt mit dem Kerl nicht“, hatte der Marquess gesagt. „Ich konnte ihn nie leiden. Er ist so verdammt penibel. Nie ein Stäubchen am Ärmel, nie zerknitterte Hosen. Jedes einzelne Härchen sorgsam frisiert. Höchst suspekt.“ Tanner hatte sich angewidert geschüttelt. „Mit dem Kerl ist etwas nicht in Ordnung. Und ich werde herausfinden, was es ist.“
Tanner hatte darauf bestanden, dass Flynn die zweirädrige Karriole mit den beiden Fuchsstuten nahm, für die er kürzlich ein kleines Vermögen hingeblättert hatte.
Flynn zügelte die Braunen, warf einem Straßenjungen, der auf das Gespann aufpassen sollte, eine Münze zu und betrat das Haus. Auf der dunklen Stiege wuchs seine Aufregung, zu der er nicht das geringste Recht hatte.
Auf sein Klopfen wurde die Wohnungstür geöffnet, und sie stand vor ihm, ausgehbereit in Hut und Handschuhen, einen grün gemusterten Paisleyschal um die Schultern gelegt. Selbst in ihrem schlichten Kleid sah sie bezaubernd aus, und er wagte sich kaum vorzustellen, wie atemberaubend sie in den eleganten Toiletten aussähe, mit denen Tanner sie ausstatten würde.
Mit einer anmutigen Drehung zog sie die Tür hinter sich zu, und Flynn mahnte sich zur Zurückhaltung. Er durfte den Marquess nicht vergessen, durfte nicht die Beherrschung verlieren und wieder in ihren Bann geraten.
Aber seine Vorsätze verpufften, als er die Hände um ihre schmale Taille legte und sie in den offenen Wagen hob.
Er nahm neben ihr auf der schmalen Lederbank Platz, und der Junge reichte ihm die Zügel herauf. „Hyde Park, ist das korrekt?“, fragte er.
Sie nickte. Ihr Teint schimmerte wie feines Porzellan. Er sehnte sich danach, ihre Wange zu streicheln.
Flynn ließ die Zügel schnalzen, die Pferde zogen an. Mit sicherer Hand lenkte er die sportliche Karriole durch das Gedränge von Reitern, Fuhrwerken, Karossen und Mietdroschken in Richtung Piccadilly. „Ihr Vater hatte wohl keinen Einwand gegen diesen Ausflug, wie ich annehme.“
„Er ist mit Letty ausgegangen“, antwortete sie.
Damit hatte sie seine Frage eigentlich nicht beantwortet, und er hätte sie um eine nähere Erklärung bitten müssen. Einerseits schien ihr Vater sie sorgsam zu behüten, andererseits nannte Rose eine flatterhafte Person wie Katy Green ihre Freundin.
„Ein herrlicher Tag“, sagte er stattdessen.
„Ja, wunderschön.“ Sie verlagerte das Gewicht, glättete ihre Röcke und streifte dabei seinen Schenkel.
Er spürte die Berührung noch lange, obwohl sie sich mit ihren behandschuhten Fingern schon am Eisengestänge der Bank festhielt.
Flynn gab sich innerlich einen Ruck. Er musste ihr Tanners Geschenk überreichen, den schönsten Smaragdring, den er bei Rundell & Bridge hatte finden können. Er musste ihr Tanners Schutz anbieten und Ort und Zeit für eine erste Begegnung vorschlagen.
Und er musste dafür sorgen, dass sie Greythornes Angebot ablehnte.
Als die Karriole Hyde Park Gate passierte, hatte Flynn sich wieder gefasst. „Sind Sie schon früher im Park ausgefahren, Rose?“
„Oh ja“, antwortete sie ohne Scheu.
Damit bewies sie ihm erneut, dass sie kein unerfahrenes Mädchen war, und er fragte sich, wer wohl ihre früheren Begleiter gewesen sein mochten.
Der strahlende Sommertag hatte viele Erholungssuchende in die Natur gelockt. Gouvernanten mit ihren Zöglingen, Bedienstete, Botengänger und Handwerksgesellen, die in ihrer Mittagspause die Sonne genießen wollten. Vornehme Herren lenkten offene Kutschen in Begleitung junger Damen in duftigen Sommerkleidern – zweifellos ihre Mätressen. Flynn kannte einige der Herren, hütete sich allerdings, sie zu grüßen. Später am Nachmittag würden dieselben Herren in Begleitung ihrer Gemahlinnen oder Verlobten durch den Park kutschieren.
Und demnächst würde Tanner mit Rose in dieser sportlichen Karriole sitzen. Verstimmt furchte Flynn die Stirn.
„Was macht Sie traurig?“, fragte Rose besorgt.
Erschrocken wandte er sich seiner Begleiterin zu. „Ich bin nicht traurig“, versicherte er.
Sie zog eine Braue hoch. „Ich finde aber, Sie sehen traurig aus.“
Er setzte eine unbeteiligte Miene auf. „Ich konzentriere mich lediglich darauf, den Wagen zu lenken.“
Erneut blickte er nach vorne auf die breite Kiesstraße, auf der ihnen ein paar Kutschen im gemächlichen Tempo
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