Bankgeheimnisse
gebucht, eine andere für mich. Helmberg hat Bekannte in Paris, er will privat logieren.«
Johannas Miene verhärtete sich. Eine Suite für sie und Leo. Sie war sicher, daß Wiking über ihre Trennung von Leo informiert war, aber sie sagte nichts. Leo äußerte sich ebenfalls nicht dazu. Sie spürte seine zufriedenen Seitenblicke und fragte sich, ob das auf sein Konto ging.
»Er ist ein begeisterter Wanderer«, sagte Wiking. »Er läßt keine Gelegenheit aus, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Frau Dr. Herbst... Johanna. Sie erlauben doch, daß ich Sie beim Vornamen nenne?«
Sie nickte mechanisch.
»Nun, Johanna, Sie werden ein Paar feste Schuhe einpacken, damit Sie Schritt halten können. Ihre Pumps sind zwar sehr hübsch, aber nichts für einen längeren Marsch durch den Bois de Boulogne oder den Louvre.«
»Was ist mit dem Geschäftlichen? Inwieweit ist er informiert? Hat er bestimmte Vorstellungen über eine Stiftung? Stiftungszweck? Was ist mit dem Kapitaltransfer?« erkundigte sich Johanna. Wiking breitete abwehrend die Hände aus. »So viele Fragen auf einmal. Warten Sie es ab. Das gehörige Fingerspitzengefühl ersetzt einen ganzen Sack voll Informationen. Ich weiß selbst nicht viel mehr als Ihr Mann. Amery wird uns schon erzählen, was wir wissen wollen. Diese Stiftungsgeschichte interessiert mich ohnehin nicht besonders. Das ist Ihr Ressort. Ich denke in erster Linie an das Geld, das da auf uns zukommt.«
»Es ist vorgesehen, daß alle erforderlichen Einzelheiten an Ort und Stelle abgesprochen werden«, sagte Leo. »Ich habe letzte Woche mit seinem Sekretär telefoniert.«
»Was immer er plant, was immer er will — es wird so gemacht, wie er es sich vorstellt. Er hat vier Milliarden, und er will uns zwei davon geben. Ich denke, ich brauche dazu nichts weiter zu sagen.« Wiking sah Johanna an, und sie nickte wieder. Zwei Milliarden, dachte sie. Dafür konnte dieser Amery den ganzen Laden kaufen. Das gesamte von der Bank verwaltete Wertpapiervolumen lag etwas unter eins Komma acht Milliarden.
»Es ist ein gemeinsames Souper vorgesehen, im >Espadon<. Die Menüwahl haben wir unserem Gastgeber zu überlassen, hieß es. Hoffentlich gibt es etwas Genießbares. Ich muß gestehen, ich hasse die französische Küche. Steinhartes, halbgares Gemüse, rohes Fleisch. À point, saignant und dieser ganze Unfug. Und trotzdem stundenlange Wartezeiten. Ich lasse alles stehen für ein vernünftiges Steak. Je größer und garer, desto besser. Ich liebe es fast verbrannt. Wußten Sie, daß ich jeden Mittag um Punkt zwei Uhr die Bank verlasse und in eines der Steakhäuser hier in der Gegend gehe? Um eins lasse ich anrufen, dann legen sie das Fleisch auf den Grill.« Er seufzte genießerisch. Johanna erhaschte aus dem Augenwinkel Leos amüsierte Blicke. Mühsam behielt sie ihre stoische Miene bei, als Wiking in angewidertem Tonfall fortfuhr: »Ich bete bloß darum, daß auf meinem Teller nichts Rohes, Fischiges landet. Mich überkommt sofort Brechreiz, wenn ich Austern oder Kaviar nur anschauen muß.« Wiking neigte mit leutseligem Gesichtsausdruck den Kopf zur Seite und kratzte seinen Backenbart. »Wie sieht es bei Ihnen aus, Johanna? Meinen Sie, Ihre Beherrschung ist so stark, daß Sie alles essen können, was er Ihnen empfiehlt oder bestellt? Auch glibbrige Austern, blutiges Fleisch und fischigen Kaviar?«
Sie schluckte. »Kein Problem. Ich esse, was auf den Tisch kommt.«
Leo lächelte schief. »Sie ißt lieber italienisch. Pasta und dicke Saucen. Aber keine Sorge, ich werde ihr zur Seite stehen und unauffällig die Reste von ihrem Teller angeln.«
Das Gespräch verlief nicht so, wie Johanna es sich vorgestellt hatte. Sie erfuhr keine Einzelheiten über den Kunden, nichts über seine Vermögensstruktur oder seine Wünsche zum Stiftungszweck. Es blieb beim unergiebigen Geplänkel. Wiking tastete sie ab, wollte ihre Einstellung zu aktuellen Ereignissen des Weltgeschehens wissen, fragte danach, welche Kunst- und Musikrichtung sie bevorzugte. Sie hatte dabei den Eindruck, als ob er das, was ihn wirklich an ihr interessierte, bereits wüßte, daß er sie lediglich reden hören wollte, sehen wollte, wie sie sich gab und benahm. Leo saß schweigend daneben, bis auf ein paar beiläufige, spöttische Bemerkungen, die er von Zeit zu Zeit einwarf. Er hatte schon abgehoben. Kramer würde in wenigen Tagen seinen Sessel als Chef der Vermögensverwaltung räumen. Leo wäre dann einer der wichtigen Männer der
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