Baphomets Bibel
schob ich den Stuhl zurück und stand auf.
»Schade«, sagte Marie.
»Schlafen auch Sie gut.«
»Mal sehen.«
Ich ging zur Tür. Dort drehte ich mich noch mal um. Marie schaute mir nach, und sie stand auf der Stelle wie die lockende Sünde. Eine Hand in die Hüfte gedreht, die Brüste noch weiter vorgeschoben und das rechte Bein leicht angewinkelt.
Diese Pose musste sie einer Schauspielerin abgeschaut haben, die in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts in gewesen waren. So sahen jedenfalls alte Autogrammkarten aus.
Wieder ging ich die Treppen hoch. Und wieder mit meinen Gedanken beschäftigt. Ich wusste, dass mich van Akkeren nicht in Ruhe lassen würde. Er hatte mich nicht grundlos angerufen. Wenn er so etwas tat, dann schwebte er auf Wolken sieben, und ich hoffte darauf, dass er Fehler beging.
In mein Zimmer hatte sich niemand geschlichen. Es sah alles noch so aus, wie ich es verlassen hatte.
Als ich auf die Uhr schaute, war es eine Stunde vor Mitternacht. Allmählich würde sich auch die Ruhe über Chartres senken. Dann würden die Menschen in ihre Betten steigen, schlafen und auch träumen...
An das letzte Wort konnte ich nicht mehr objektiv denken. Wenn van Akkeren die Funktion des Buches begriffen hatte, dann würde er die Träume zur Wahrheit umfunktionieren, wobei ich mich noch immer fragte, ob ihm das überhaupt gelingen würde. Es war einfach zu weit weg vom Normalen, und ich hatte auch nie davon gehört, dass den damaligen Templern so etwas gelungen wäre. Ein wenig kannte ich mich schon in der Historie aus, und das wäre ja etwas Herausragendes gewesen.
Jedenfalls freute sich van Akkeren auf die Nacht. Wahrscheinlich wollte er versuchen, in meine Träume einzudringen, doch da wollte ich ihm einen dicken Strich durch die Rechnung machen.
Es träumte nur derjenige, der schlief. Und ich hatte nicht vor, in einen Schlaf zu fallen. Ich wollte wach bleiben und gewisse Attacken erst gar nicht aufkommen lassen. Und dann würde ich irgendwann das Hotel verlassen, um mich in der näheren Umgebung umzuschauen.
Die Luft im Raum war nicht besonders, obwohl ich nicht rauchte. Ich öffnete das Fenster und ließ den leichten Wind hinein. Die Kathedrale sah ich auch. Helles Licht glitt über die Außenwand hinweg. Nicht nur vom Boden wurde das Bauwerk angestrahlt, aus einer bestimmten Höhe waren ebenfalls Strahler auf sie gerichtet.
Es war wirklich ein imposantes Bild, das ich in meiner Lage allerdings nicht genießen konnte. Ich merkte meine innere Nervosität. Ich spürte das Kribbeln im Bauch und dachte darüber nach, wie ich es am besten schaffte, die langen Stunden über wach zu bleiben. Möglicherweise auch nur bis Mitternacht. Wer konnte sich schon in einen Typen wie van Akkeren hinein versetzen?
Den Stuhl zu nehmen und mich ans Fenster zu setzen, war auch nicht das Wahre. Auf dieser harten Fläche hielt ich es nicht aus. Einen Fernseher gab es ebenso wenig wie ein Radio. So konnte ich mir die Zeit vertreiben, indem ich mir selbst irgendwelche Geschichten erzählte. Aber das würde letztendlich auch nichts bringen.
Das Fenster schloss ich nicht völlig. Einen Spalt breit ließ ich es offen. Eine alte Blumenvase sorgte dafür, dass es in dieser Stellung blieb.
Das Bett lockte. Das Essen lag gut im Magen. Den Alkohol spürte ich nicht, und ich wäre auch topfit gewesen, wenn es die große Action gegeben hätte.
So aber breitete sich Monotonie aus.
Ich nahm auf dem Stuhl Platz. Nach etwa zehn Minuten wurde es mir zu hart. Es gab nur das Bett als Alternative, und dort setzte ich mich auf die Kante.
Ohne Rückenlehne war es auf die Dauer auch unbequem. Mir kam eine Idee. Ich ging zum Schrank und öffnete dort die schmale Tür. Tatsächlich, im oberen Fach lag eine Decke. Genau die hatte ich gesucht.
Ich holte sie hervor und legte sie noch zusammengefaltet auf das untere Drittel des Bettes.
Jetzt konnte ich mich ausstrecken und brauchte meine Schuhe nicht auszuziehen.
Wach bleiben!
Ich legte mich auf den Rücken und stellte mir die Frage. Warum eigentlich? Warum sollte ich wach bleiben? Wäre es letztendlich nicht interessant, einzuschlafen und zu träumen? War ich nicht das perfekte Versuchskaninchen für den Grusel-Star?
Wenn man es aus diesem Blickwinkel betrachtete, stimmte das schon. Nur war es auch mit einem Risiko verbunden. Aber es gab eine andere Seite. Was passierte, wenn ich einschlief und nicht träumte?
Nichts – im Prinzip. Obwohl ich bei näherem Nachdenken da auch nicht
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