Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
das Vorgefallene warfen.
»Hatten Sie nicht eine gute Verbindung zum Polizeipräsidium?«, fragte Don Basilio. »Wie hieß der Mann noch?«
»Victor Grandes«, sagte Brotons. »Vielleicht kann er Sie in Kontakt bringen mit diesem Salvador.«
Ich räusperte mich, und die beiden Männer schauten mich mit gerunzelter Stirn an.
»Aus Gründen, die nichts mit der Sache zu tun haben – oder allzu viel –, möchte ich Inspektor Grandes lieber nicht in diese Geschichte hineinziehen«, sagte ich.
Brotons und Don Basilio wechselten einen Blick.
»Hm. Sonst noch ein Name, der von der Liste zu streichen ist?«
»Marcos und Castelo.«
»Ich sehe, Sie haben Ihr Talent, sich allenthalben Freunde zu schaffen, noch nicht verloren«, sagte Don Basilio.
Brotons rieb sich das Kinn.
»Kein Grund zur Beunruhigung. Ich glaube, ich werde den einen oder anderen Zugang finden, der keinen Verdacht aufkommen lässt.«
»Wenn Sie mir Salvador aufspüren, werde ich für Ihr Blutopfer schlachten, was Sie wollen, sogar ein Schwein.«
»Mit meiner Gicht habe ich notgedrungen von Speck Abstand genommen, aber zu einer guten Havanna würde ich nicht nein sagen«, meinte Brotons.
»Es dürfen auch zwei sein«, fügte Don Basilio hinzu.
Während ich zu einem Tabakladen in der Calle Tallers eilte, um die beiden edelsten und teuersten Zigarren des Sortiments zu erwerben, tätigte Brotons zwei diskrete Anrufe im Präsidium und bestätigte, dass Salvador den Dienst eher unfreiwillig verlassen und dann auf eigene Faust zu arbeiten begonnen habe, als Leibwächter für Industrielle oder als Ermittler für mehrere Anwaltskanzleien der Stadt. Als ich mit den beiden Zigarren für meine Wohltäter zurückkam, reichte mir der Archivleiter einen Zettel mit einer Adresse.
Ricardo Salvador
Calle de la Lleona 21, Dachgeschoss
»Der Herr Graf möge es Ihnen vergelten«, sagte ich. »Und Ihnen wünsche ich, dass Sie es noch erleben.«
29
Die Calle de la Lleona, bei den Anwohnern wegen des dort ansässigen berüchtigten Bordells besser bekannt unter dem Namen dels Tres Llits, »der drei Betten«, war ein Gässchen beinahe so düster wie sein Ruf. Es entsprang den schattigen Bögen der Plaza Real und wuchs sich ohne Sonnenlicht zu einer feuchten Spalte zwischen alten, dicht gedrängten, von einem durchgehenden Netz aufgehängter Wäsche verbundenen Häusern aus. Von den altersschwachen Fassaden blätterte der Ocker ab, und über das Pflaster aus Steinplatten war in den Gewaltjahren der anarchistischen Aufstände viel Blut geflossen. Mehr als einmal hatte ich sie in meinen Geschichten über die Stadt der Verdammten als Schauplatz benutzt, und auch jetzt, da sie verlassen und vergessen dalag, roch sie für mich noch nach Intrigen und Schießpulver. Diese triste Kulisse deutete darauf hin, dass Kommissar Salvador nicht unter sehr großzügigen Bedingungen in den Zwangsruhestand versetzt worden war.
Nummer 21 war ein bescheidenes, zwischen zwei anderen eingeklemmtes, halb verstecktes Haus. Die Tür stand offen und führte zu einem dämmrigen Schacht, in dem eine schmale, steile Stiege spiralförmig hinaufführte. Zwischen den Fugen der Bodenfliesen quoll eine dunkle, schleimige Flüssigkeit heraus. Beim Hinaufsteigen ließ ich das Geländer nicht los, obwohl ich auch ihm nicht traute. In jedem Stock gab es nur eine Wohnung, von denen, der Breite des Hauses nach zu urteilen, keine größer als vierzig Quadratmeter sein konnte. Ein kleines Oberlicht krönte das Treppenhaus und tauchte die obersten Stockwerke in mattes Licht. Die Tür zur Dachwohnung befand sich am Ende eines kurzen Gangs und stand zu meiner Überraschung offen. Ich klopfte an, erhielt aber keine Antwort. Man sah in ein kleines Wohnzimmer mit einem Sessel, einem Tisch und einem Regal mit Büchern und Blechdosen. Die angrenzende Kammer war eine Art Küche mit Waschplatz. Der einzige Segen dieses Lochs bestand darin, dass man direkt aufs flache Dach hinausgelangte. Auch diese Tür stand offen, und eine frische Brise wehte von den Altstadtdächern den Geruch nach Essen und Wäsche herein.
»Ist da jemand?«, rief ich.
Da die Antwort abermals ausblieb, ging ich zur Terrassentür und spähte aufs Dach hinaus. Der Dschungel von Giebeln, Dachterrassen, Türmen, Wassertanks, Blitzableitern und Schornsteinen wucherte nach allen Seiten. Ich hatte noch keinen Schritt hinaus getan, als ich ein kaltes Metallteil im Nacken spürte und das eiserne Klacken eines Revolverhahns hörte, der
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