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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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machte es sich erst in diesem Augenblick klar und begann zu weinen, mit kleinen Schluchzern, wie wenn sie sich liebten, den Kopf an seine Brust gelegt und die Arme um ihn
    geschlungen, so daß er ihren zuckenden Busen spürte. Er streichelte sie, sagte ihr zärtliche Worte ins Ohr und machte ihr dann den einzigen Vorschlag, der ihm vernünftig schien: Sie solle mit ihm fliehen. Auf ihren entsetzten Blick hin sagte er, nein, das sei kein Verrat an ihrer Gemeinschaft. Sie sei einfach mit einem anderen Privileg ausgezeichnet worden und habe nun andere Pflichten. Er würde sie in ein fernes Reich mitnehmen, und dort würde sie eine neue Kolonie von Hypatien gründen, sie würde einfach die Saat ihrer fernen Mutter noch fruchtbarer machen und ihre Botschaft anderswohin verbreiten.
    Nur würde er dann an ihrer Seite leben und neue Befruchter finden, solche in Menschengestalt, wie vermutlich die Frucht ihres Leibes sein werde. »Wenn du fliehst, tust du nichts Böses«, sagte er, »im Gegenteil, du verbreitest das Gute...«
    »Also werde ich die Große Mutter um Erlaubnis bitten.«
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    »Warte, ich weiß noch nicht, wie diese Große Mutter ist. Laß mich nachdenken. Wir gehen gemeinsam zu ihr, ich werde sie schon überzeugen. Gib mir ein paar Tage Zeit, daß ich mir die richtigen Worte überlege.«
    »Mein Lieb, ich will dich nicht nie mehr wiedersehen«,
    schluchzte sie auf. »Ich tue, was du willst, ich gebe mich als eine Menschenfrau aus, ich gehe mit dir in jene neue Stadt, von der du mir erzählt hast, ich werde mich wie eine Christin benehmen, ich werde sagen, daß Gott einen toten Sohn am Kreuz gehabt hat. Wenn du nicht mehr da bist, will ich keine Hypatia mehr sein!«
    »Beruhige dich, mein Lieb. Du wirst sehen, ich finde eine Lösung. Ich habe Karl den Großen heilig werden lassen, ich habe die Magierkönige wiedergefunden, Ich werde es auch schaffen, mir meine Braut zu erhalten.«
    »Braut? Was ist das?«
    »Das erkläre ich dir später. Geh jetzt, es ist spät geworden.
    Wir sehen uns morgen wieder.«
    »Es gab kein Morgen mehr, Kyrios Niketas. Als ich nach
    Pndapetzim zurückkam, liefen mir alle entgegen, sie hatten mich schon seit Stunden gesucht. Es war nicht mehr zu bezweifeln: Die Weißen Hunnen nahten, man konnte am Horizont schon die Staubwolken sehen, die ihre Pferde aufwirbelten. Sie würden im ersten Morgenlicht an den Grenzen der Farnkrautebene sein. Es blieben uns nur noch wenige Stunden, um die Verteidigung vorzubereiten. Ich begab mich sofort zum Diakon, um ihm anzukündigen, daß ich den Oberbefehl übernehmen würde. Zu spät. Jene Monate qualvollen Wartens auf die Schlacht, die Anstrengung, die er sich abverlangt hatte, um sich auf den Beinen zu halten und bei der Unternehmung mitzumachen,
    vielleicht auch der neue Lebensmut, den ich ihm mit meinen Erzählungen eingeflößt hatte, hatten sein Ende beschleunigt. Ich
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    hatte keine Angst, ihm nahe zu sein, während er die letzten Atemzüge tat, ja ich drückte ihm sogar die Hand, als er mir zum Abschied Sieg wünschte. Er sagte, wenn ich gesiegt hätte, würde ich vielleicht ins Reich seines Vaters gelangen, und darum bitte er mich um einen letzten Dienst. Sobald er
    verschieden sei, würden seine beiden verschleierten Getreuen seinen Leichnam so herrichten, als sei er der eines Priesters, indem sie ihn mit jenen Ölen salbten, die sein Abbild in das Leintuch eindrückten, in das man ihn hüllen werde. Dieses Abbild solle ich dem Priester bringen, und so blaß er darauf auch erscheinen werde, würde er sich seinem Adoptivvater immer noch weniger entstellt zeigen, als er es war. Wenig später verschied er, und die beiden Getreuen taten, was getan werden mußte. Sie sagten mir, das Leintuch brauche einige Stunden, um seine Züge aufzunehmen, sie würden es dann zusammenrollen und in eine Schatulle legen. Sie rieten mir schüchtern, die Eunuchen über den Tod des Diakons zu informieren. Ich
    beschloß, es nicht zu tun. Der Diakon hatte mich zum
    Oberbefehlshaber seiner Truppen ernannt, und nur deshalb würden die Eunuchen es nicht wagen, mir nicht zu gehorchen.
    Ich war darauf angewiesen, daß sie beim Kriegführen
    einigermaßen kooperierten, indem sie in der Stadt die Aufnahme der Verwundeten vorbereiteten. Hätten sie sofort vom Tod des Diakons erfahren, so hätten sie im Mindestfall den Kampfgeist der Truppen geschwächt, indem sie die traurige Nachricht verbreiteten, und hätten die Leute durch die
    Beisetzungsfeierlichkeiten abgelenkt.

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