Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
Vom Netzwerk:
gemacht, was wir wollten. Und das ist uns auch bewusst gesagt worden. Die haben gesagt: Macht jetzt, was ihr wollt, weil später, wenn ihr draußen seid, müsst ihr euch an andere Ideen halten, und dann hat man Erfolg oder eben nicht. Aber an der Hochschule jetzt noch nicht. Auch deswegen finde ich ›Kidnapping‹ nicht so gut. Den habe ich so kommerzialisiert, ohne es zu wollen, und ohne es zu brauchen. Also ich fand das dann irgendwie deppert.«
    Trotzdem hat »Kidnapping« etwas Besonderes. Ich weiß noch, als Bernd das oben zitierte Interview für die HFF München gab und aus dem Büro nach Hause kam. Er hatte eine DVD in der Hand und meinte zu mir: »Die haben mir einen meiner alten Hoch schulfilme heute mitgebracht. Magst’ mal reinschauen?« Ich war absolut sprachlos. Die Hauptdarstellerin, die die reiche Erbin spielte, sah genauso aus wie ich! Die Haare platinblond gefärbt und geschnitten wie meine, groß, dünn und eher androgyn, ein großer rot geschminkter Mund und rote Fingernägel. Dazu auch noch einen schwarzen langen Mantel, wie ich ihn in London getragen hatte, bevor ich Bernd kennenlernte. Bernd und ich sahen uns erstaunt an.
    Für die Besetzung ihrer Übungsfilme nutzten die HFF-Studenten oft Laien. So kam es vor, dass Bernd einem Stammkunden in einer Szenekneipe wie »Der kleine Bungalow« (eben der Kneipe, wo Wim Wenders abends vor der Flippermaschine stand und cool aussah) so viele Biere kaufte, bis dieser ihm sein Mitwirken versicherte. »Der kleine Bungalow« in der Türkenstraße in Schwabing war das Zentrum der kreativen Szene von München, insbesondere für die Filmhochschüler. Gegenüber vom »Kleinen Bungalow« befand sich das »Stop In«, wo abends Rainer Werner Fassbinder, Hannah Schygulla und Fassbinders Entourage saßen, auch weil das »Stop In« eine der wenigen Kneipen war, die bis drei Uhr nachts geöffnet hatten. »Alter Simpl«, eine weitere Schwabinger Institution, wurde damals von der etablierten Unterhaltungsindustrie frequentiert. Dort gingen die Leute hin, die für die Constantin Film arbeiteten, was die Studenten damals als »Altbranche« bezeichneten.
    Neben dem Theatinerkino waren sowohl das ARRI Kino als auch der Türkendolch Programmkinos, die von den Studenten der HFF besucht wurden. Im Türkendolch gab es Sondervorstellungen von Eddie-Constantine-Filmen, bei denen die Zuschauer aktiv mitwirkten. Wenn sich zum Beispiel Eddie Constantine auf der Kinoleinwand eine Zigarette anzündete, stand jemand im Zuschauerraum auf und hielt ihm ein brennendes Feuerzeug hin. Wurde Eddie dagegen von einer Blondine belagert, rief jemand aus dem Publikum: »Vorsicht Eddie, Blondine von links!« In dieser Szene war Fassbinder extrem sichtbar. Eine immer gegenwärtige Figur, ein Superstar. Zwar frequentierten Bernd und Uli nur selten dieselben Kneipen wie Fassbinder, denn Etablissements, wo man keine Hetero-Frauen treffen konnte, fanden sie langweilig – aber man sah sich. Bernd erzählte mir oft, wie sehr er Fassbinder für seine Produktivität und Energie bewunderte. Und dass er – trotz anderer sozialer Prioritäten – beobachten konnte, wie Fassbinder seine Entourage behandelte. Fassbinders Clique stammte weitgehend aus dem Theatermilieu, und die meisten waren komplett von ihm und seinen schöpferischen Extremleistungen abhängig. Es waren Schauspieler, für die Fassbinder zumeist den einzigen Arbeitgeber darstellte und die dadurch sehr auf ihn fixiert waren. Bernd erzählte mir, wie Fassbinder die Mitglieder seiner Entourage gegeneinander ausspielte. Und wie er eine überzeugte Vegetarierin dazu zwang, ein blutiges Steak zu essen, wenn sie eine Rolle in seinem nächsten Film haben wollte. All diese Geschichten erzählte mir Bernd mit einer Mischung aus Faszination und Gruseln. Fassbinder war eine singuläre Gestalt. Eine Präsenz, deren Einfluss auf Bernd und seine Karriere sich zwar nicht genau ausmachen ließ, von der aber dennoch eine große Strahlkraft ausging. Ein Fixstern an Bernds Firmament. Uli Edel erinnert sich an eine Episode, die perfekt beschreibt, wie Bernd zu Fassbinder stand:
     
    Einmal war in der Münchner Abendzeitung ein hämischer Kommentar zu lesen, in dem stand, dass dieser Rainer Werner Fassbinder, wenn er unbedingt etwas ausdrücken wolle, doch bitteschön mit seinen Gesichtspickeln anfangen solle. Und das schrieb ausgerechnet Sigi Sommer, dessen Kolumnen wir sonst ganz gerne lasen. Ich war völlig vor den Kopf gestoßen, dass der Sigi so etwas über

Weitere Kostenlose Bücher