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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bekomme ich in dieser Atmosphäre von zackigen Reden und schon strafbarer Selbstüberschätzung! Ich kann mir nicht helfen – in Gegenwart von Uniformen bekomme ich den Geruch von Mist nicht aus der Nase.«
    »Gehen wir, Vater«, sagte Wolfgang heiser. »Du änderst es nicht, ob du nun recht hast oder nicht. Du warst zwanzig Jahre hinter den Bergen, und die Welt hat sich gedreht und verändert …«
    »In einen Paradies habe ich gelebt.« Wolter wurde in einen Aufzug gestoßen, die Tür schnarrte zu, sie schwebten abwärts. »In einem wahren Paradies, mein Sohn. Eine Wohnung, gutes Essen, jeden Tag zum Abend zweihundert Gramm Wodka, und im Frühjahr blühten die Aprikosen und Kirschen, im Herbst glühte der Wein an den Hängen, und man ging mit einem Korb zu den Bauern und sagte: ›Ein reiches Jahr war's, Brüderchen. Ich seh's an deinem Bauch, noch fetter ist er geworden. Komm, mach mir den Korb voll Trauben. Und wenn du mehr verlangst als einen Rubel und zehn Kopeken, schlage ich dir aufs Hirn.‹ Das war ein Leben!« Karl Wolter sah seinen Sohn an. »Du verstehst das nicht.«
    »Nein, Vater. So lebt doch kein Mitteleuropäer.«
    »Einen Katzenschiß auf deinen Mitteleuropäer! Ich habe wie ein Mensch gelebt! O Himmel, wenn ich euch alle dazu bewegen könnte, so zu leben!«
    In der Kantine waren sie fast allein, setzten sich in eine Ecke, bestellten ein Bier und sahen sich lange schweigend an. An weiter entfernten Tischen tranken und aßen ein paar Offiziere, sie lachten, einer von ihnen erzählte Witze.
    »Warum bist du gekommen, Vater?« fragte Wolfgang, als Wolter nicht mit Sprechen begann.
    Karl Wolter umfaßte mit beiden Händen sein kaltes Bierglas. »Nicht, um mich zu entschuldigen«, sagte er hart.
    »Das habe ich auch nicht erwartet. Ich bin ausfällig geworden – es war meine Schuld, daß du so reagiertest, Vater.«
    »Danke, Wolf.« Viel Glück lag in diesem Satz, und Wolfgang verstand es und legte seine Hand auf den Arm seines Vaters.
    »Was macht Dimitri?« fragte er.
    »Er ist weg.«
    »Weg? Wohin denn?«
    »Nach Frankreich und wahrscheinlich nach Algerien. In die Wüste.«
    »Als Ölingenieur, natürlich …«
    »Bettina ist schon unterwegs, ihn zurückzuholen. Habe ich Dimitri großgezogen wie meinen Sohn, habe ich nächtelang um ihn gebangt, wenn er krank war, damit er jetzt in der Sahara vom Sandsturm zugeweht wird? Er wird zurückkommen, und auch du wirst es, Wolf.«
    »Bist du deswegen gekommen, Vater?«
    » Ja !«
    »Ich habe große Schwierigkeiten gehabt, Vater. Aus völlig natürlichen Gründen mißtraut man Dimitri. Er ist Russe, er ist Kommunist. Ein solcher Mann in unserer Familie schließt aus, daß ich als Offizier der Bundeswehr ausgerechnet in der Dienststelle Ost sitze. Ich muß versetzt werden, um jede Möglichkeit der Spionage auszuschließen. Es ist einfach eine routinemäßige Vorsichtsmaßnahme. Nur daß ich mich von euch getrennt habe, war der Grund, daß ich noch in Bonn bin und kein Truppenkommando irgendwo, weit weg von Bonn, bekommen habe.«
    »Und wäre das schlimm, mein Junge?« fragte Wolter leise.
    »Ich kann hier eine glänzende Karriere machen, Vater.«
    »Unter Opferung deiner Familie? Lohnt sich das? Bedeutet dir die Uniform so viel?«
    »Die Uniform nicht, Vater. Aber ich bin mit meiner ganzen Seele Soldat.«
    Wolter schwieg. Was sollte er darauf sagen? Ihm fehlten zwanzig Jahre. Ihm fehlten die Jahre, in denen Wolfgang herangewachsen war, in denen er sich sein Weltbild selbst bildete, in denen er sein Lebensziel zu erkennen glaubte. Damals hätte man es noch steuern können … und, bei Gott, der Sohn Karl Wolters wäre alles andere geworden, und wenn er Steine hätte klopfen müssen, nur kein Soldat! Nun war es zu spät. Zwanzig Jahre ließen sich nicht nachholen.
    »Wenn ich dir fremd bin, Junge«, sagte Wolter leise, und seine Stimme zitterte, denn wie schwer ist es, so etwas zu sagen, »ich kann's verstehen. Mutter hat dir immer nur ein Bild gezeigt und aus der Erinnerung gesprochen von mir. Und was ist zurückgekommen? Ein Mann, der so viel erlebt hat, daß ihm das Leben auf der hektischen Welt wie ein schlechter Witz vorkommt. Ein sinnloses, wertloses, blindes Leben führt ihr alle! Doch reden wir nicht darüber. Aber so fremd ich dir bin – so fremd wie der Kolka Iwanowitsch Kabanow, nicht wahr? – ich bitte dich, Junge: Denk an Mutter! Was du jetzt bist, bist du durch sie. Sie hat dich mit ihrer schwachen Kraft großgezogen, sie hat dich auf die

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