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Behandlungsfehler

Behandlungsfehler

Titel: Behandlungsfehler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Konradt
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würden. Wenn nicht, müsste er einfach auf einer Seite noch einmal ein bisschen reduzieren. Und dann wäre alles so, wie sie es wollte. Der Medizinische Dienst begutachtete den Fall und die Krankenkasse übernahm die Kosten. Frau Kettler war glücklich.
    Die Operation fand statt. Nur das Ergebnis war von den gewünschten Äpfeln leider weit entfernt. Es war Doppel-D Richtung E. Die Brüste waren immer noch riesig und störten. Wenn sie die Arme nach vorn bewegte, musste sie immer noch mit den Ellbogen einen Schlenker an der Brust vorbei machen. Außerdem waren sie jetzt ungleich. Die rechte ging Richtung Doppel-D, die linke Richtung E. Der Arzt operierte also noch mal. Doch das Ergebnis war für sie ein Schock. Am ehesten waren ihre Brüste noch mit riesigen birnenförmigen Objekten zu vergleichen, sie waren kaum kleiner als Melonen. So etwas hatte sie noch nie gesehen, nie gewollt. Dazu kam, dass die Brustwarzen bei jeder Berührung schmerzten. Nein, von der Erfüllung ihres Traumes war sie weit entfernt.
    Ein paar Tage nach der zweiten Operation kam noch ein weiteres Problem dazu. Die Naht klaffte ein bisschen auf, es hatte sich wohl ein kleines Hämatom gebildet. Frau Kettler ging zu ihrem Schönheitschirurgen. Der spülte die Wunde mit Octenisept, einem Antiseptikum. Zwei Tage später war sie wieder beim Arzt – die Wunde war gerötet und die rechte Brust schmerzte, war unter Spannung und ließ nur wenige Bewegungen zu. Der Arzt spülte erneut mit Octenisept. Sicherheitshalber verschrieb er noch ein Antibiotikum. Ich habe die Bilder von der Entzündung gesehen, Frau Kettler
hat Fotos gemacht. Das sah wirklich nicht schön aus. Die Brust war über Wochen geschwollen und gerötet. Immer wieder musste abgestorbenes Gewebe entfernt werden. Der Lymphabfluss war gestört. Das heißt, in ihrem Brustgewebe lagerte sich Flüssigkeit ein. Sie musste regelmäßig zur Lymphdrainage. So hatte sie sich das alles nicht vorgestellt.
    Zu mir kam sie, weil sie nicht verstehen konnte, was geschehen war. Der Arzt hatte ihr doch versprochen, sie bekäme ihre Traumbrüste. Stattdessen waren sie unförmig und entzündet, bereiteten ihr Schmerzen bei jeder Bewegung. Hatte der Arzt einen Fehler gemacht? Ich wusste, dieser Fall konnte schwierig werden, weil hier im Motiv für die Operation eine eigentlich unzulässige Vermischung entstanden war.
    Ich ließ mir die Behandlungsunterlagen kommen. Mein erstes Augenmerk galt den Umständen der Brustverkleinerung. Hatte der Arzt wirklich gewusst, worum es Frau Kettler ging? Da stand es schwarz auf weiß: Körbchengröße B/C war das Ziel. Natürlich auch medizinisch indiziert. Dass der Schwerpunkt der Behandlung aus Sicht von Frau Kettler in der Schönheitsoperation bestand, war für mich klar, aber aus Sicht des Arztes, der mit der Krankenkasse abrechnen sollte, war es eben »auch« eine medizinisch notwendige Operation. Anna Kettler war die Indikation egal. Sie wollte nicht 1000 Gramm rechts und links weniger haben, sondern sie wollte einfach ihre Äpfel. Die Rückenschmerzen waren nur der Auslöser, um eine OP wirklich in Erwägung zu ziehen. Und das hatte sie dem Arzt genau so gesagt. Und er hatte geantwortet: »Das kriegen wir hin.« Er hatte sich also darauf eingelassen, auf Kosten der Krankenkasse eine Schönheitsoperation zu machen. Zumindest sah Frau Kettler das so. Doch würden wir das vor Gericht beweisen können?
    Für Schönheitsoperationen gelten bei der Aufklärung besondere Regeln. Sie sind deutlich härter als bei anderen Operationen. Bei einem medizinisch notwendigen Eingriff ist es weniger wahrscheinlich, dass jemand von einer Operation Abstand nimmt, weil es Komplikationen geben kann. Doch
Schönheitsoperationen sind Luxus. Der Patient muss schon ganz genau wissen, auf was er sich einlässt. Die Rechtsprechung sagt, dass die ärztliche Aufklärung gerade in diesem Bereich absolut schonungslos sein muss. Eigentlich muss der Arzt im Rahmen der Aufklärung versuchen den Patienten von seinem Vorhaben abzubringen. Im Grunde muss der Schönheitschirurg Bilder zeigen, wie das Ergebnis am Ende unter Umständen auch aussehen könnte. Das heißt: Vernarbungen, ungleiche Größe, verschobene Brustwarzen. Und er muss seiner Patientin auch sagen, dass man bei einer Schönheitsoperation sterben kann. Der Patient muss das Für und Wider abschätzen können und vor diesem Hintergrund sich bewusst entscheiden. Erst dann darf der Arzt operieren.
    Bei Anna Kettler schien der Arzt nicht so

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