Bélas Sünden
gesagt hatte:»Ich fahre einmal um den Block, dann ist Marion sicher weg, dann komme ich zurück.«
Aber stattdessen kam Heinz. Sonja öffnete ihm die Tür, weil sie dachte, Béla käme zurück. Dann gab es tüchtig Krach, eine Moralpredigt, vielleicht die Drohung:»Ich werde mit deiner Mutter reden.«
Sein Todesurteil! Sonja hatte Heinz nie gemocht, in all den Jahren war er ihr suspekt gewesen. Sie hätte sich von ihm nie etwas sagen oder gar drohen lassen. Als Béla nach seiner Runde um den Block zurück in die Wohnung kam, war Sonja weg. Die Balkontür stand offen, in meinem Schlafzimmer lag ein Toter. Und wo war Béla jetzt? Bei Sonja, wo sollte er sonst sein! Um sie zu beruhigen, irgendetwas mit ihr abzusprechen. Nach ein paar Sekunden drehte Offermann sich wieder zu mir um.»Das Buch, von dem Frau Böhring sprach«, erkundigte er sich,»ist das ein Kriminalroman?«
»In gewissem Sinne, es gibt sechs Morde.«
Ich wunderte mich, dass ich ihm ruhig und beherrscht antworten konnte und nicht mit dem herausplatzte, was mir durch den Kopf ging. Er nickte, irgendwie anerkennend.»Gleich sechs. Und der neue Roman hat die gleiche Thematik?«
»Nein.«
»Ich nehme an«, sagte Offermann gedehnt,»dass Sie auch mir das Thema nicht verraten, wenn Sie schon Frau Böhring gegenüber solch ein Geheimnis daraus machen.«
Warum ritt er jetzt darauf herum? Ich wusste nicht, was ich von ihm halten sollte.»Ich rede nicht gern über Arbeiten, die noch nicht abgeschlossen sind.«
»Mit niemandem?«
»Nur mit meinem Verleger. Er muss schließlich wissen, was ihn erwartet.«
»Aber es besteht die Möglichkeit«, meinte Offermann,»dass Frau Böhring es weiß. Sie sprach darüber in einem merkwürdigen Ton. Das ist Ihnen aufgefallen. Und Sie haben rasch das Thema gewechselt. Frau Böhring geht bei Ihnen ein und aus. Es wäre verwunderlich, wenn sie nicht längst wüsste, an welchem Thema Sie arbeiten. Andere Leute durch den Dreck ziehen.«
Den letzten Satz sprach er nachdenklich aus, fügte noch etwas hinzu, womit er sich allerdings wieder auf die falsche Fährte begab:»Eine Ehe, die seit langen Jahren keine Ehe mehr ist. Ein Mann, der sich mit anderen Frauen tröstet. Seine Frau kann es akzeptieren. Aber sie kann nicht hinnehmen, dass es vor aller Öffentlichkeit breitgewalzt wird.«
Ich hörte ihm nicht richtig zu. Dass Meta über den Roman Bescheid wusste, war mir vollkommen klar. Ihre Reaktion hatte das deutlich gemacht. Vielleicht war sie gerade wegen meiner Vorsicht stutzig geworden. Es lenkte ein bisschen von Sonja und Béla ab, darüber nachzudenken. Früher hatte ich Meta oft etwas erzählt oder seitenweise vorgelesen, während sie Staub wischte und die Pflanzen goss. Hatte ich sie neugierig gemacht? Hatte sie in den letzten Wochen einen Blick riskiert, wenn ich unterwegs war und Béla unten im Lokal? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Meta den Computer in Gang brachte. So in Gang, dass sie ein paar Seiten lesen konnte. Aber völlig auszuschließen war es nicht. Und dann? Hatte sie sich erkannt, sich gefragt, wer oder was mich auf die Idee gebracht hatte? Wenn ja, musste sie auch eine Antwort gefunden haben. Es gab nur eine Möglichkeit: Heinz! War das ein Grund gewesen, ihn zu töten? War er nicht mehr nur der ungeliebte Mann gewesen, sondern ein Verräter? Aber warum, verdammt, hätten sie dann mein Bettzeug abtransportiert? Hatte das eine gar nichts mit dem anderen zu tun? Waren Béla und Sonja beide kurz nach sieben aufgebrochen? Offermann unterbrach das konfuse Gewimmel in meinem Hirn, als er sagte:»Wir sind da.«
Die Haustür stand unverändert offen, immer noch bewacht von einem jungen Polizisten in Uniform. Wir gingen hinauf in die Wohnung.»Hier war keine einzige Tür abgeschlossen«, erklärte Offermann, als wir die Diele betraten.»Auch die Haustür war nur ins Schloss gezogen. Macht Ihr Mann das immer so, wenn er das Haus verlässt?«
»Normalerweise schließt er hinter sich ab.«
»Dann können wir davon ausgehen, dass er in großer Eile war«, stellte Offermann fest. Kannst du nicht, dachte ich. Es war anders. Du kommst nicht darauf, wie es war. Oder doch?»Sie haben Marion Böhring ziemlich viele Fragen gestellt«, meinte er. Und er hatte die meisten vom Flur aus mitgehört. Wir hatten das Wohnzimmer erreicht. Die Balkontür war in der Zwischenzeit geschlossen worden. Den Rahmen hatten sie sich gründlich vorgenommen. Er sah ziemlich verschmiert aus. Auf eine Reaktion wartete Offermann nicht.
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